Herrschaft des faschistischen Nationalismus in der Ukraine

Die große gesellschaftliche Bedeutung faschistisch-nationalistischer Auffassungen in der Ukraine, die man auch als neonazistisch bezeichnen kann, wird von der Bundesregierung und ihrer geballten Medienmacht bestritten und als Einzelerscheinungen verharmlost. Doch die Wahrheit lässt sich detailliert nachweisen, wozu wir in der Hauptsache wieder auf das bereits im vorangegangenen Artikel vielfach erwähnte, ausgezeichnet recherchierte Buch von Thomas Mayer „Wahrheitssuche im Ukraine-Krieg“ zurückgreifen. Ausführlich schildert er in „Teil I – Die Ausgangslage“ im Unterkapitel „Nationalismus in der Ukraine“ die historisch entstandene Situation der heute in der Gesellschaft weitgehend dominierenden neonazistischen Kräfte.1

Thomas Mayer weist zu Beginn darauf hin, dass die ukrainische Verfassung von 1996 die einzige Verfassung der Welt sei, in der die genetische (oder „rassische“) Reinheit als eine Aufgabe des Staates verankert sei. Es heiße dort in Artikel 16: „… und die Bewahrung des Erbguts des Ukrainischen Volkes sind Pflicht des Staates.“ Die deutschen Nationalsozialisten hätten dasselbe schreiben können.
Dabei sei die Ukraine ein Vielvölkerstaat. Was heiße da „Erbgut des Ukrainischen Volkes“. Durch Heiraten und Völkerwanderungen habe sich das Erbgut dieser Volksgruppen seit Jahrhunderten durchmischt. Das „ukrainische Erbgut“ könne es nicht in der Realität, sondern nur als Fiktion in der Ideologie von Nationalisten geben, die so viel Einfluss hatten, dass sie die ukrainische Verfassung 1996 prägen konnten.

Organisation Ukrainischer Nationalisten

1929 sei durch den Zusammenschluss der „Ukrainischen Militärischen Organisation“ (UWO) mit verschiedenen schon bestehenden nationalistischen Gruppen die „Organisation Ukrainischer Nationalisten“ (OUN) gegründet worden mit dem Ziel, die Unabhängigkeit einer ethnisch reinen Ukraine durch den bewaffneten Kampf zu erreichen. Wichtigster Ideengeber der OUN sei Dmytro Donzow (1883-1973) gewesen, der einen „integralen Nationalismus“ befürwortet habe. Der Vereinigung aller ukrainischen Siedlungsgebiete in einem ukrainischen Nationalstaat und der Unabhängigkeit der Ukraine sollten alle übrigen politischen Ziele untergeordnet werden. Erreicht werden sollte dieses Ziel auch mit „Amoralität“. In seinem Buch „Nationalismus“ von 1926 habe er gefordert:
„Anstelle von Pazifismus (…) die Idee von Kampf, Expansion, Gewalt (…). Anstelle von Skeptizismus und Mangel an Glauben und Charakter – ein fanatischer Glaube an die eigene Wahrheit, Exklusivität, Härte. Anstelle von Partikularismus, Anarchismus und Liberalismus – die Interessen der Nation über allem, (…) und die Unterordnung des Individuums unter das Nationale.“

Daraus wird schon ersichtlich, dass die ukrainischen Nationalisten einer Form des Faschismus huldigten, obwohl sie dieses Wort möglichst zu vermeiden suchten. Der Historiker Grzegorz Rossolinski-Liebe von der Freien Universität Berlin habe 2014 die erste wissenschaftliche Arbeit über die OUN und deren bekanntesten Führer Stepan Bandera (1909-1959) und den Bandera-Kult veröffentlicht und darin festgestellt:
„In den Diskursen, die sie in ihren eigenen Publikationen führten, setzte sich die Idee, dass die OUN faschistisch ist, spätestens in den frühen 1930er Jahren durch. Seitdem war allen Mitgliedern der Bewegung klar, dass zwischen radikalem Nationalismus und Faschismus kein Widerspruch besteht und dass sie zugleich Nationalisten und Faschisten waren. Viele waren auch stolz, einer europäischen, transnationalen Bewegung anzugehören, die von Mussolini und Hitler angeführt wurde.“

Der Historiker habe entdeckt, dass in der OUN seit 1934 Pläne ausgearbeitet wurden, die Polen und Juden aus der Ukraine zu vertreiben oder zu ermorden. Er schreibe:

„Polen, Juden und Russen waren die Hauptfeinde der OUN. Auch demokratische und kommunistische Ukrainer waren eine wichtige Feindgruppe. Allen OUN-Mitgliedern war seit Mitte der 1930er Jahre klar, dass die Führung von ihnen erwartete, bei einer passenden Begebenheit – wie z.B. einem Krieg – die Ukraine ethnisch zu säubern. Als Methoden hierfür wurden Vertreibung und Massenmord gesehen, und viele Nationalisten waren bereit, entsprechend zu handeln.“

Bei der Gründung der OUN 1929 seien die „Zehn Gebote des ukrainischen Nationalisten“, der sogenannte „Dekalog“ als Kernprogramm der OUV beschlossen worden. Jedes Mitglied der OUN habe den Dekalog auswendig können sollen:

„Ich bin der Geist des ewigen Elementes, der dich vor dem Tatarensturm gerettet und dich an den Rand zweier Welten gebracht hat, um neues Leben zu schaffen.

  1. Du wirst den ukrainischen Staat erkämpfen oder im Kampf für ihn sterben.
  2. Du wirst niemandem erlauben, den Ruhm und die Ehre deiner Nation zu beschmutzen.
  3. Erinnere dich an die großen Tage unserer Befreiungskämpfe.
  4. Sei stolz darauf, dass du der Erbe des Kampfes für den Ruhm des Trysub von Wolodymyr bist. (Anm.: Dreizack im Wappen von Wolodymyr dem Großen, Großfürst von Kiew 978-1015)
  5. Räche dich für den Tod der großen Ritter.
  6. Sprich nicht über die Sache, mit wem du kannst, sondern mit wem du musst.
  7. Du sollst nicht zögern, die allergefährlichste Tat zu begehen, wenn die Sache dies verlangt. (im Lenkawskyjs Originalfassung: „… das allergrößte Verbrechen …“)
  8. Begegne den Feinden Deiner Nation mit Hass und rücksichtslosem Kampf.
  9. Weder Bitten noch Drohungen noch Folter noch Tod werden Dich zwingen, Geheimnisse zu verraten.
  10. Du wirst dich bemühen, die Macht, den Reichtum und den Ruhm des Ukrainischen Staates zu erweitern.“

Diese zehn Gebote der Nationalisten seien weitgehend die diabolische Umkehrung der zehn Gebote des Alten Testamentes. Sie hätten auch im weiteren Verlauf der Geschichte eine Rolle gespielt.

Während des 2. Weltkrieges habe die OUN den „Katechismus eines ukrainischen Nationalisten“ verteilt, der die wichtigsten Richtlinien, den genannten Gegen-„Dekalog“, die 44 Gesetze des Lebens, die 12 Charaktereigenschaften eines ukrainischen Nationalisten enthalten habe und Gedichte, die zum Kampf für eine freie Ukraine aufforderten.

2014 seien die umgekehrten „zehn Gebote“ auch bei den monatelangen Protesten auf dem Maidan-Platz in Kiew massenhaft unter die Leute gebracht und Parolen daraus plakatiert worden.

Im Mai 2022 sei in Mariupol das nationalistische „Asow-Battaillon“ nach langem Widerstand von der russischen Armee aufgerieben worden. Thomas Röper (Anti-Spiegel) habe danach die Asow-Stabsstelle besichtigen können und geschrieben:
„In einer Etage hatte die russische Armee zusammengetragen, was sie in den Büros der Offiziere gefunden hatte, und ausgestellt. Der größte Raum war vor der Übernahme durch die russische Armee mit den schwarzen Schilden dekoriert, die zu Ehren der gefallenen Asow-Kämpfer angefertigt worden waren. Sie zeigen die ´schwarze Sonne`, ein Symbol der Waffen-SS, und den Kampfnamen des Gefallenen. Auf einem Tisch war eine Hitler-Ikone, die aus dem Büro eines hohen Asow-Offiziers stammte.“

Und es habe dort große Plakate mit den zehn Geboten der Nationalisten gegeben. Einen Einblick gibt ein Kurzviedo. 2

Bemerkenswert sei, dass in der ukrainischen Gesellschaft und in westlichen Mainstream-Medien die Asow-Kämpfer als Volkshelden und Sinnbilder für den nationalen Widerstand verehrt würden.

OUN im 2. Weltkrieg

Da am Ende des 1. Weltkrieges Teile der Westukraine Polen zugeschlagen worden seien, habe die OUN dort bis zum Beginn des 2. Weltkrieges einen Guerillakrieg gegen den polnischen Staat geführt – Anschläge auf staatliche Funktionäre, Brandstiftungen, Bahnstreckenzerstörungen etc. Auch Ukrainer, die für eine Zusammenarbeit mit Polen eintraten, da Kultur- und Wirtschaftsorganisationen der Ukrainer weiter bestehen durften, seien ebenfalls Ziele von OUN-Attentaten gewesen. 1934 sei dem OUN die Ermordung des polnischen Innenministers Pieracki gelungen.

1939 habe die Rote Armee entsprechend des Hitler-Stalin-Paktes Ostgalizien und Westholhynien im Gebiet der heutigen West-Ukraine besetzt, so dass sich der Untergrundkampf der OUN nun gegen die sowjetischen Truppen gewendet habe.

Doch auch innerhalb der OUN habe es heftige Auseinandersetzungen gegeben, die auf einem Kongress 1940 in Krakau zur Spaltung in die „Melnykisten“ (OUN-M), meist ältere Emigranten, und die „Banderisten“ (OUN-B), meist jüngere Anhänger Stepan Banderas mit Erfahrung im Untergrundkampf, geführt hätten.
Aus OUN-Angehörigen habe die deutsche Wehrmacht 1940 das „Bataillon Nachtigall“ und das „Bataillon Roland gebildet, die auf deutscher Seite gegen die Sowjetunion kämpften.

Am 30. Juni 1941 habe das „Bataillon Nachtigall“ zusammen mit deutschen Gebirgsjägern die westukrainische Stadt Lemberg besetzt, aus der sich die Sowjets zurückgezogen und zuvor tausende von Strafgefangenen ermordet hätten. Diese Taten seien durch die NS-Propaganda jedoch den Juden zur Last gelegt worden, um die Stimmung gegen die Juden aufzuheizen. Sofort habe in Lemberg unter maßgeblicher Beteiligung des „Bataillons Nachtigall“ ein furchtbarer Progrom gegen die jüdische Bevölkerung mit etwa 4.000 ermordeten Juden begonnen, der den Auftakt zu einem systematischen Völkermord der Nazis gewesen sei. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung Lembergs und damit über 100.000 Menschen seien Juden gewesen. Als die Rote Armee im Juli 1944 Lemberg wieder erobert habe, seien nur noch etwa 300 Juden am Leben gewesen. Insgesamt seien in der Ukraine etwa 1,5 Millionen Juden ermordet worden.

Gleichzeitig am 30. Juni 1941 habe Stepan Banderas Stellvertreter Jaroslaw Stezko in Lemberg einen unabhängigen ukrainischen Staat ausgerufen, als dessen Präsident er von den OUN-B-Angehörigen gewählt worden sei. Stezko habe in Briefen an Hitler, Mussolini, Franco und Pavelic, den faschistischen Regierungschefs in Europa, versichert, dass sein Staat ein Teil von Hitlers „Neuer Ordnung in Europa“ sei.
Doch die deutschen Nationalsozialisten hätten keine unabhängige Ukraine gewollt und daher Stezko und Bandera verhaftet und in einem relativ komfortablen Anbau des KZ Sachsenhausen untergebracht.

Der OUN-Verfassungsentwurf für die unabhängige Ukraine aus dem Jahr 1939 habe Juden von der Staatsbürgerschaft ausgeschlossen. Und noch im Juli 1941 habe Stezko erklärt:
„Ich unterstütze die Vernichtung der Juden und halte es für zweckmäßig, die deutschen Methoden zur Ausrottung des Judentums in die Ukraine zu bringen, um ihre Assimilierung und ähnliches zu verhindern.“

Die beiden Bataillone „Nachtigall“ und „Roland“ seien im Herbst 1941 wieder aufgelöst worden, worauf viele Soldaten zur ukrainischen Hilfspolizei gegangen seien. Der Historiker G. Rossolinski-Liebe erläutere dazu:

„Die Hälfte aller ukrainischen Juden – etwa 800.000 – wurde auf dem kleinen Gebiet der West-Ukraine getötet, wo die OUN-B, trotz der Verhaftung ihrer Führerriege, die Deutschen beim Judenmord unterstützte. Sie schickte ihre Mitglieder zur Polizei, damit sie bewaffnet wurden und die Besatzer bei den Deportationen unterstützen konnten. Aufgrund der kleinen Anzahl von deutschen Polizisten in der Ukraine wäre die Ermordung von mehr als 90 Prozent aller westukrainischen Juden ohne sie nicht möglich gewesen.“

Der Historiker Götz Aly schätze die Zahl der ukrainischen Hilfspolizisten auf etwa 200.000, von denen mindestens 40.000 unmittelbar an der Ermordung jüdischer Menschen teilgenommen hätten.
Danach hätten die Banderisten begonnen, massenhaft Polen zu ermorden.
Im März 1943 seien etwa 5.000 ukrainische Hilfspolizisten mit ihren Waffen in die 1942 gegründete „Ukrainische Aufständische Armee“ (UPA) übergelaufen, dem neuen militärischen Arm der OUN-B, der durchgängig die Armee des polnischen Untergrundstaates und die sowjetischen Partisanen bekämpfte. Die UPA habe zwischen 30.000 bis 200.000 Kämpfer umfasst und bis 1956 existiert.
Von Februar 1943 bis Kriegsende seien von der UPA bis zu 100.000 Polen massakriert worden, von den Deutschen geduldet, und umgekehrt hätten die Polen bis zu 15.000 Ukrainer umgebracht.

Auch die Melnykisten (OUN-M) unterstützten nach Recherchen Thomas Mayers ab Juli 1943 aktiv die Nationalsozialisten. Es seien 7 ukrainische Regimenter mit je 2.000 Mann zur „SS-Freiwilligen-Division-Galizien“ aufgestellt worden.

Nach dem Krieg

Stepan Bandera sei 1946 nach München geflüchtet und habe dort unter falschem Namen mit Unterstützung des amerikanischen CIA und des britischen Geheimdienstes M16 ein gegen die Sowjets gerichtetes OUN-Zentrum aufgebaut, das Anhänger ausgebildet und als Spione in die sowjetische Westukraine gesandt habe, um die nationalistische ukrainische Untergrundbewegung zu unterstützen. Auch der deutsche BND habe mit ihm zusammengearbeitet und ihn vor dem sowjetischen Geheimdienst KGB abgeschirmt. Doch am 15.10. 1959 habe ihn ein KGB-Agent in München ermorden können. Seitdem sei Bandera zum Märtyrer der ukrainischen Nationalisten geworden.

Nach dem Krieg habe die CIA besonders auf Banderas Sicherheitschef Mykola Lebed gesetzt, der als Leiter der UPA in der Ukraine während des 2. Weltkrieges die „Säuberungen“ der Westukraine  von Polen und Juden koordiniert habe. Lebed sei bis in die 1980er Jahre zum wichtigsten Mann der CIA geworden, um im Kalten Krieg Einfluss in der Ukraine zu nehmen. Ab 1950 sei dies Aufgabe der CIA-Operation „Aerodynamic“ gewesen, zu deren Schlüsselfigur Lebed aufgestiegen sei. Es seien Agenten in die Ukraine ein- und ausgeschleust und das ukrainische Untergrundnetzwerk der Nationalisten in jeder Hinsicht unterstützt worden.
Diese Methode habe dann mehr zu einer ideologischen Infiltration der Ukraine gewechselt, die über Zeitungen, Bücher und Radioprogramme stattgefunden habe. Es sollte damit das nationale kulturelle Selbstbewusstsein vor allem der jüngeren Ukrainer gefördert werden, als Vorbereitung für einen weitergehenden Nationalismus.

Man sieht, wie die USA bereits hier den ukrainischen faschistischen Nationalismus für ihre eigenen imperialen Ziele gegen Russland skrupellos instrumentalisiert haben.

Es wurde erreicht, dass Stepan Bandera, der als Massenmörder bezeichnet werden müsse, vor allem von breiten Bevölkerungsschichten im Westen der Ukraine als Nationalheld verehrt werde. Laut der ukrainischen „Rating Group“ hätten 74 Prozent der Ukrainer eine positive Meinung zu ihm. Die Massenmorde würden verdrängt. Bandera sei für sie ein Symbol für den Freiheitskampf. Anstatt die faschistische Vergangenheit aufzuarbeiten, werde aktiv an sie angeschlossen. Thomas Mayer:

„Im Januar 2010 verlieh der damalige ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko Stefan Bandera postum den Ehrentitel „Held der Ukraine“. Die Moskauer Allee in Kiew wurde in Stepan-Bandera-Allee umbenannt. Es gibt seit 2014 in der Ukraine hunderte nach ihm benannte Straßen, viele lebensgroße Statuen und Büsten, einige monumentale Denkmäler sowie mehrere Museen zu seinen Ehren. Zum 100. Geburtstag bekam er eine Gedenkbriefmarke.“

Auch viele andere Banderisten würden als Nationalhelden verehrt. So habe auch Roman Schuchewytsch, der Kommandeur des „Bataillons Nachtigall“, das 1941 an den Pogromen in Lemberg mitgewirkt hatte, und der als UPA-Führer auch für die Ermordung der Polen in der Westukraine verantwortlich gewesen sei, ebenfalls eine Gedenkbriefmarke bekommen. Er habe auch Gedenkmünzen, Denkmäler und postum die Ehrenbürgerschaft von Lemberg sowie 2007 ebenfalls von Präsident Juschtschenko den Titel „Held der Ukraine“ erhalten.
Es gebe in der Ukraine noch viele weitere Beispiele der Verehrung von faschistischen Nationalisten. So sei jetzt auch eine „Straße der Helden des Asow-Regiments“ bekannt geworden. Das Asow-Emblem sei die „Wolfsangel“, ein von der SS verwendetes Nazi-Emblem.

Großer gesellschaftlicher Einfluss

Thomas Mayer schildert weiter, dass sich die heutigen nationalistischen Bewegungen der Ukraine offen auf Bandera bezögen, so wie auch die Partei „Swoboda“ mit dem charismatischen Oleh Tyahnybok. Sie habe bei den Wahlen 2012 zwar nur 10 Prozent der Stimmen und 37 Sitze erhalten, ihr nationalistisches Programm und ihre Forderungen nach ethnisch reinen Staatsbediensteten und Wahlberechtigten seien aber weitgehend von den anderen Parteien übernommen und die meisten rassistischen, rechtsradikalen Forderungen inzwischen auch eingeführt worden. Der Swoboda-Abgeordnete Yuriy Mykhalchyshyn habe in Kiew eine Denkfabrik gegründet, die ursprünglich „Joseph Goebbels Political Research Center“ geheißen habe.

Thomas Röper resümiere: „Tyahnybok saß Ende Februar 2014 mit dem deutschen Außenminister Steinmeier am Verhandlungstisch, als es um den Machtwechsel in Kiew ging, und Tyahnybok war einer von den Politikern, die im Westen als ´demokratische Opposition` gefeiert und unter anderem von Steinmeier unterstützt wurden.“

Neben der Swoboda gebe es weitere nationalistischen Organisationen wie der von Dmitri Jarosch geleitete „Rechte Sektor“, ein Zusammenschluss rechtsradikaler Gruppierungen, der beim Maidan-Putsch eine dominierende Rolle gespielt und großen Einfluss auf die Entwicklung des Landes genommen habe. „Diese Gruppen mögen von der Anzahl her relativ klein sein“, so Thomas Mayer, ihr Gedankengut und der Bandera-Kult durchzögen jedoch die ganze ukrainische Gesellschaft und seien Allgemeingut und Selbstverständlichkeit geworden. „Kulturelle Hegemonie“ sei der Fachbegriff dafür.

„Der 1. Januar, Stepan Banderas Geburtstag, wird in der Ukraine öffentlich gefeiert. Es gibt zahlreiche Paraden, Märsche, Fackelzüge und Gedenkfeiern. Diese Feiern werden von den Behörden unterstützt. Am 1. Januar 2023 twitterte das Kiewer Parlament ein Gedenken für Stepan Bandera. Dabei wurde der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnyj, lächelnd mit einem Porträt von Bandera abgebildet, begleitet von folgendem Zitat Banderas: ´Der vollständige und endgültige Sieg des ukrainischen Nationalismus wird kommen, wenn das russische Imperium aufgehört hat zu existieren`. – Das ist Bandera-Verehrung – also Faschismus-Verehrung – von ganz oben: der Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee auf dem Twitterkanal des ukrainischen Parlaments. Mehr geht nicht.“

Aus Artikel auf: https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/die-richtlinien-von-stepan-bandera-sind-dem-oberbefehlshaber-wohlbekannt/

Der Historiker Rossolinski-Liebe fasst zusammen:
„Das Tragische an dem Kult um Bandera, andere OUN-Kader und UPA-Partisanen ist, dass die Menschen in der Ukraine – und dazu muss man auch den ukrainischen Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, zählen – nicht wissen, wen sie eigentlich verehren. Bzw. sie erinnern sich nur an den Kampf gegen die Sowjetunion, aber nicht an den Faschismus, die Kollaboration im Holocaust und die Massenmorde an Polen und Ukrainern.
Auf diese Weise wird in der Ukraine oft Faschismus bzw. Radikaler Nationalismus mit Demokratie verwechselt.“

Thomas Mayer fährt fort, dass die OUN 1939 auf ihrem zweiten Kongress offiziell die Grußformel „Slawa Ukraini“, Slawa Herojam“ beschlossen habe, was mit „Heil, Ehre, Ruhm der Ukraine“ bzw. „Ruhm den Helden“ übersetzt werden könne. Mit diesem Spruch werde die Nation über alles erhoben. Die Nation werde zu einem Gott. Es sei ein Kult-Ritual der „Nationalisten-Kirche“. Kulte schüfen eine gemeinsame Identität.

Während der gewaltsamen Maidan-Proteste im Winter 2013/2014 hätten Nationalisten diese Grußformel in Umlauf gebracht, um nationalistische Stimmung zu erzeugen, und die Mehrzahl der Demonstranten habe die Formel übernommen.
An diesem Beispiel sehe man die Einflussnahme der Nationalisten auf die ukrainische Gesellschaft.
2018 habe das ukrainische Parlament mit großer Mehrheit die Grußformel „Slawa Ukraini, Slawa Herojam“ verpflichtend für Armee und Polizei eingeführt. Der Faschisten-Gruß sei also zum offiziell verordneten militärischen Gruß geworden.

Viele ukrainische Politiker beendeten damit ihre Reden. Politiker aus aller Welt, auch der deutsche Bundeskanzler Scholz, hätten in Fernsehauftritten „Slawa Ukraini“ geschmettert und sich so mit dem ukrainischen faschistischen Nationalismus solidarisiert.
„´Slawa Ukraini` ist der bekennende Gruß der ukrainischen Faschisten – genauso wie ´Heil Hitler` der der deutschen Faschisten.“

Das nationalistische Denken werde in der Ukraine auch in Schulen, Universitäten und Bibliotheken verbreitet. Zur Verehrung der Banderisten gehöre auch, dass es rechtsextremistische Sommerlager für Jugendliche gebe, die staatlich gefördert würden. Dort würden schon achtjährige Kinder an der Kalaschnikow ausgebildet, um Russen zu töten, die von Ausbildern als „Untermenschen“ bezeichnet würden.

Das Geschilderte zeige, so Thomas Mayer zusammenfassend, dass es in der Ukraine eine breite faschistisch-nationalistische Bewegung gebe, die ein ethnisch gesäubertes Land zum Ziel habe. Dieser Faschismus sei nicht auf kleine Gruppen beschränkt, sondern – im Sinne der kulturellen Hegemonie – Allgemeingut in Politik und Gesellschaft geworden.

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1   https://www.thomasmayer.org/buecher/wahrheitssuche-im-ukraine-krieg
2  Siehe Artikel von Thomas Röper:
https://www.anti-spiegel.ru/2022/tag-1-meiner-dritten-reise-in-den-donbass-mariupol/

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In einem weiteren Artikel soll die Übernahme von Regierung, Sicherheitsorganen und Armee durch die faschistisch-nationalistischen Kräfte geschildert werden.