Die arabische Seele zwischen Gemeinschaftszwang und schuldhaftem Autonomiestreben

Dr. Burkhard Hofmann, ärztlicher Psychotherapeut mit eigener Praxis in Hamburg, kam früh über private Beziehungen in Kontakt zu einer größeren Zahl arabischer Patienten und seit zehn Jahren auch zu regelmäßigen Behandlungen an den Persischen Golf. Aus seinen intensiven Erfahrungen mit den seelischen Nöten arabisch-muslimischer Menschen entwickelte er anhand einer Reihe beispielhafter Fallgeschichten „Ein Psychogramm der arabischen Seele“, das er unter dem Titel „Und Gott schuf die Angst“ in Buchform veröffentlicht hat. Es macht den radikalen Unterschied zur individualistischen Kultur des Westens deutlich, der eine wirkliche Integration nur in Ausnahmefällen möglich macht.

Burkhard Hofmann weist eingangs darauf hin, dass es zwei Gruppen des arabischen Bürgertums gebe. Die eine sei in ihrer Lebensweise westlich orientiert, der Islam bilde zwar einen integrativen Teil ihrer Identität als „Kulturmuslim“, die Religion würde sie aber nur noch fragmentarisch oder gar nicht mehr aktiv leben. Die andere Gruppe sei mit der Religion auf fundamentale Weise verbunden, vergleichbar mit fundamentalistischen christlichen Sekten oder einem ultraorthodoxen Judentum. Sie gewinne seit 1979, dem Jahr der Islamischen Revolution unter Ajatollah Khomeini, immer mehr an Kraft und Bedeutung. Ihr Selbstverständnis sei der Gottesstaat, die absolute Einheit von Staat und Religion, wo der Glaube auch in weltlichen Fragen die letzte Autorität bleibe.
Aus der letzteren Gruppe stamme der größte Teil seiner Patienten.

Seine Beobachtungen seien nicht als eine wissenschaftlich präzise Abbildung der Wirklichkeit zu verstehen, sondern als Ansammlung von Fallgeschichten, die aber für sich schon ein Schlaglicht auf die Verfasstheit der arabischen Seele würfen. Nicht der Einzelfall imponiere, sondern die Uniformität der Erscheinungen in ihrer Quantität. (Hervorhebungen hl). Wie auch bei uns im Westen zeigten sich bei den seelisch Angeschlagenen wie unter einem Vergrößerungsglas die Probleme und Konflikte der Gesellschaft.

Vom Verbot der Loslösung

Von Mohammed sei in einem seiner Hadithe, den überlieferten Erzählungen über sein Leben und seine Aussagen, denen zur Interpretation des Korans große normative Kraft zukomme, der Satz enthalten: „Das Paradies liegt zu Füßen der Mutter.“

Wie aus diesem oft zitierten Spruch Mohammeds herauszulesen, ist es dem Gläubigen verboten, sich loszulösen, es ist ihm verwehrt, Abhängigkeit und Bindung aufzulösen. Wie ein roter Faden zieht sich dies durch die gesamte arabisch-muslimische Kultur. Und es beginnt bei der Mutter. Sie wird unendlich respektiert, verehrt und gefürchtet, ein Loskommen ist unmöglich. Dieses Festkleben ist das Paradigma der gesamten Kultur.“

 Der Ausspruch Mohammeds bedeute aber neben der auch für uns geltenden Kindheitserfahrung der  Mutter am Anfang des Lebens, dass die Mutter im Islam auch am Ende des Lebens stehe.
Nachdem Allah, so geht eine Erzählung, über dich gerichtet und deiner Seele aufgrund deines gottgefälligen Lebens Zutritt zum Himmel gewährt hat, steht dort noch die Mutter. Sagt sie Nein, ist Allahs Urteil hinfällig, und du gehst in die Hölle. Man ist ihr also selbst post mortem ausgeliefert, kommt nie von ihr los, bleibt ein ganzes Leben unter ihrem Einfluss.“

Das Bild der Mutter werde dadurch ungeheuer idealisiert. Um ohne Angst durchs Leben gehen zu können, so der Therapeut, sei der Mensch aber darauf angewiesen, realistische Bilder beider Elternteile in sich zu tragen, denn davon hänge auch ein realistisches Selbstbild ab. Ein falsches Selbstbild sorge z.B. durch eine überzogene Anspruchshaltung aufgrund einer grandiosen Selbstüberschätzung für häufige Frustrationen und ein allfälliges Scheitern. Nur ein realitätsbezogenes Selbstbild geleite uns elegant durchs Leben, ohne dass wir allzu häufig schmerzhaft anstoßen.
„Das Selbstbild braucht als Ausgangspunkt das wirklichkeitsnahe, erwachsene Begreifen der Persönlichkeiten der Eltern. Nur dann tragen uns diese Bilder der Eltern ohne die Furcht, dass sie unter dem Druck der Wirklichkeit zusammenbrechen, durchs Leben. Einer der Gründe, warum viele in Arabien das familiäre Umfeld nie verlassen, ist die Furcht vor diesem Zusammenbruch durch die Konfrontation mit dem Leben draußen, das dann auch Vergleiche zuließe.“

Die Auseinandersetzung mit dem Vaterbild falle in der Regel leichter, da der Vater ferner empfunden werde und als nicht so schicksalsentscheidend. Viele hätten ein extrem negatives Bild des Vaters. An ihm bleibe selten etwas Gutes hängen. Keine Kraft sei da, die das Kind von der Bindung an die Mutter weglocke und in die Welt führe. So blieben die Kinder im Übergang ins Vorschulalter in ihrer Entwicklung stecken: fixiert auf das Bild, das die Mutter von ihnen habe, und nicht verpflichtet auf das, was sie in der Welt wirklich darstellten.

Andererseits würden angesichts ganz offensichtlicher Mängel der Mutter bei der Aufzucht der Kinder solche Mängel erst einmal verleugnet, heruntergespielt, und es werde abwiegelnd Verständnis gezeigt. Die Mutter sei sakrosankt.
„In vielen Situationen wurde mir zu verstehen gegeben, ich würde verbotenes Terrain betreten, wenn ich nach der Mutter und den Empfindungen ihr gegenüber fragte, insbesondere dann, wenn ich mich nicht mit Floskeln abspeisen ließ. (…) Die dabei ausgelösten Schuldgefühle waren mir schon aus meinen Erfahrungen in Hamburg bekannt, hier in Arabien aber haben sie die Stärke eines Tsunamis. Wenn es um die Lebensbegründerin geht, hört aller Spaß auf. (…) Es dauerte lange, bis ich deutlich machen konnte, dass Schuld auch eine Art Deckel sein kann, unter dem sich womöglich das Eigentliche verbirgt. Ein Beziehungskleber, der das, was längst entzweit ist, im Negativen wieder zusammenfügt, um die Illusion einer bestehenden unverbrüchlichen Beziehung wieder aufzubauen.“

Wie sich zeige, lebten viele der arabischen Patienten in dem Dilemma, schon lange diese Unverbrüchlichkeit verloren zu haben, ohne dies zu wissen oder wissen zu dürfen. Zu stark sei der innere Zensor, der verbiete, sich dies einzugestehen. Denn dahinter begänne die Einsamkeit, so die Befürchtung, die nicht auszuhalten wäre.

Zentralpunkt Familie

Auch ohne den zitierten Hadith sei die Verpflichtung zu ewiger Treue gegenüber der Familie und der dort tradierten Kultur allmächtig. Die weitverbreitete Neigung, den Nachwuchs zu verwöhnen, festige diese Bildung noch, selbst wenn sie unpersönlich bleibe. Die Bindung an die Familie sei mehr eine Bindung an eine Instanz als an eine Person. Von dieser würde eine Lösung leichter fallen, da sich in der Auseinandersetzung mit ihr ein eigenes Selbst entwickeln könne.

Die Vorgaben der Kultur, die der Islam vermittle, bestimmten die Regeln des familiären Zusammenlebens im Sinne des Trennungsverbotes. Dr. Hofmann illustriert dies mit einer kurzen Episode:
„Ahmed H. hatte eine Kindheit voller väterlicher Grausamkeiten hinter sich gebracht. Die Mutter wurde vom Vater wegen unbegründeter Eifersucht regelmäßig körperlich misshandelt. Schon als kleiner Junge wurde er mit seinen jüngeren Schwestern Zeuge dieser seelischen und körperlichen Gewalt. Auch durch den Einfluss der Therapie konnte er, als der hochbetagte Vater die ebenso hochbetagte Mutter mit dem Gehstock wieder einmal grausig zugerichtet hatte, nicht mehr an sich halten. Nach sechzig Jahren Selbstkontrolle explodierte er, und all die ungesagten Sätze brachen sich Bahn. Dies geschah unter den Augen der Mutter und der herbeigeeilten Schwestern. Dass er keine Minute seiner Gegenwart als Kind genossen habe, rief er, dass er nur noch ein Ende dieses Martyriums herbeigesehnt habe und dass er nur wünschte, dass der Vater zurück zu den Verwandten nach Persien zöge. …

Schon während er den Vater anschrie, bat die Mutter ihn flehentlich, von ihm abzulassen. Anschließend brach ein Sturm der Entrüstung und Beschämung los. Allen voran vonseiten der Mutter
, gefolgt vom Onkel und der restlichen Verwandtschaft, wurde Ahmed vorgehalten, er verhalte sich ungebührlich, habe dem Vater keinen Respekt gezollt und sollte sich dringend entschuldigen. Die Taten des Vaters waren gar kein Thema mehr. Im Kern wurde ihm vorgeworfen, gegen die Gesetze des Islam verstoßen zu haben. In Sure 17 Al-Isra (Die Nachtreise) stehe doch, dass man gegen die Eltern, besonders wenn sie alt geworden seien, noch nicht einmal den Seufzer ´Uff` vorbringen solle.“

 Von den Eltern über die Familie ziehe sich der rote Faden bis hin zum Staat und zur Religion. Der mangelnde Wunsch nach Auseinandersetzung sei frappierend, bis man verstehe, dass der Akt der Auseinandersetzung an sich das Problem sei.
Für eine Betrachtung meiner selbst und meiner Situation muss ich mich von mir selbst loslösen, mich wie von außen betrachten können. Dies gelingt nicht. Es wäre ein Akt der Freiheit. Dann könnte ich auch alles andere so betrachten. Dabei könnten aber Distanz und Entfremdung entstehen. Beides ist innerlich mit Strafe bewehrt. Der Patient muss also den Lösungsimpuls abwehren und in ein Symptom verwandeln, in dem der ursprüngliche Konflikt verkapselt wird: die Angst.“

Mit anderen Worten: Das Ich als eigene innere Instanz des Menschen ist schwach ausgebildet und ganz eingebettet in den ihm übergeordneten Blutszusammenhang der Gruppe, der Familie, Sippe, des Stammes. Und die gesamten kulturellen und religiösen Strukturen sind darauf angelegt, den Menschen in der Bindung an die Gruppe festzuhalten und eine autonome Ich-Entwicklung und damit die Loslösung von der Gruppe zu verhindern.

Das große Eine

Die unzureichende Autonomiebildung durchziehe alle Lebensbereiche. Im Westen sei die fehlende Reiseerlaubnis für die weiblichen Mitglieder der Familie ohne entsprechende männliche Begleitung noch am bekanntesten. Dieses religiöse Verdikt, das weibliche Unabhängigkeit primär unter das männliche Wohlwollen stelle, sei nach wie vor eine weitverbreitete Praxis.

Auch sozial gruppiere sich das Gemeinwesen gleich Kreisen um den Mittelpunkt des Feudalherrschers.
„Die zunehmende Nähe zu diesem Zentrum definiert Status und Reichtum. Entsprechend eingeschränkt ist die politische Kultur. Der zweite Pol der Opposition existiert entweder nur rudimentär oder wird systemkompatibel in einer scheindemokratischen Simulation zur Beruhigung der Massen und des Westens angeboten.“

Besonders im Glauben manifestiere sich das Ideal des einen, unverrückbaren Mittelpunktes, um den sich die Gläubigen scharen. Sie suchten in der Umma, der Gemeinschaft der Glaubenden, das große, ferne Eine. Die Auslegung dürfe in extenso diskutiert werden, aber nie die Gültigkeit des Ganzen, in dessen Zentrum der Glaube an die göttliche Herkunft des heiligen Textes stehe. Zweifel daran würden das ganze Glaubensgebilde aushebeln. So sei es absolut sinnfällig, dass zu den heiligen Stätten nur Gläubige zugelassen werden. Stehe doch im Mittelpunkt der muslimischen Welt in Mekka dieser eine schwarze Quader, die Kaaba, um die herum sich rituell und symbolhaft alles drehe.
Dies sei Symbol für eine ganze Kultur, die planetenhaft von diesem magischen Zentrum angezogen werde. Es sei der Ort der Selbstvergewisserung einer Kultur und der absoluten Gültigkeit des eigenen Glaubenssystems. Dies werde den Frommen dort leibhaftig vermittelt.


Hala oder die Suche nach Halt ohne Fesseln

Dr. Hofmann stellt nun eine Patientin vor, an der alle geschilderten Abhängigkeiten, Zwänge, inneren Leiden, Widerstände und Schuldgefühle beispielhaft sichtbar werden.
Hala sei wie die meisten Frauen am Golf früh mit einem ungeliebten Mann verheiratet worden.
Als Siebzehnjährige habe sie einmal spüren dürfen, wie es sei geliebt zu werden. Nasser, den sie nur noch ´meine Medizin` nannte, sei dann, nachdem sie ihn ihres jungen Alters wegen zurückgewiesen hatte, wie sie eine arrangierte Ehe eingegangen, und ihre Wege hätten sich getrennt. Nicht getrennt hätten sie sich in einem toten Winkel ihrer Herzen von dem Gefühl füreinander. Er lebe jetzt als erfolgreicher Geschäftsmann in einem anderen Staat am Golf. Und warte immer noch auf sie.“

In ihrer Ehe habe Hala in kurzen Abständen erst drei Söhne geboren, dann eine Tochter, die zu Therapiebeginn noch in die Oberstufe des Gymnasiums gegangen sei. Der Ehemann habe lange Zeit im Geschäft seines Vaters gearbeitet, der überraschend früh, vor 15 Jahren, gestorben sei. Seitdem habe der Ehemann kein Geld mehr verdient, sei immer dicker und fauler geworden. Sie selbst habe durch geschickten An- und Verkauf von Immobilien die Familie auf gutem Niveau durchgebracht und sich nebenbei einen guten Ruf als Koranlehrerin für Mädchen und ein hohes Ansehen erworben. Im Gegensatz dazu habe sie ihre häusliche Situation als schäbig und entwürdigend erlebt und sei immer mehr in seelische Not geraten.

Sie sei in einem präpsychotisch erscheinenden Zustand zu ihm gekommen, mit beängstigend wahnhaften Symptomen. Die Wände und Decken der Zimmer seien auf sie zugekommen, und sie habe eine panische Furcht vor Lichtschaltern entwickelt, die sie immer angeschaltet haben wollte, die Helligkeit aber wiederum nicht habe ertragen können.
Mehr Symbolisierung vom Kampf zwischen Bewusstsein und Verdrängung geht ja kaum, dachte ich in einer dieser ersten Sitzungen. Ich blieb lange Zeit unsicher, ob die geschilderten Bilder Ausdruck eines drohenden Ich-Untergangs mit der dazugehörigen Panik – wenig ängstigt den Menschen mehr als das Verschwinden des eigenen Ichs – im Sinne einer wahnhafte Vorstellungen produzierenden Psychose waren oder ein bildhaftes Erleben von einer das Ich überfordernden Panik auf dem Boden eines bewussten oder unbewussten Konflikts darstellten. (…)
Ähnlich verhielt es sich für mich mit der unsicheren Einordnung ihrer zwanghaften Befolgung religiöser Regeln, insbesondere der vorgeschriebenen Gebetszeiten. Eine Abweichung von wenigen Minuten löste sofort Panik aus. Zudem stieß sie während der Sitzungen Anrufungen Allahs in einer Menge aus, die schwer zu ertragen war. Dazu das stets wiederholte ´al-miskin ana` – ´Oh, ich Arme` – der Selbstbemitleidung.“

Der Mann sei in den ersten Gesprächen noch dabei gewesen, dann habe er sich aus Langeweile zurückgezogen. Von da an sei die Atmosphäre zwischen dem Therapeuten und der Patientin deutlich entspannter geworden. Sie habe daraufhin wichtige Teile der Vorgeschichte preisgegeben, dass sie sich nämlich bereits ein Jahr zuvor schon einmal von ihrem Mann getrennt hatte und auch die Scheidung ausgesprochen wurde. Für vier Monate habe sie sich so glücklich gefühlt wie seit Jahrzehnten nicht. Doch dann sei sie von heftigen Zweifeln und Panik erfasst worden, das Falsche getan, einen schrecklichen Fehler und eine Sünde begangen zu haben. Ihre Schuldgefühle seien immer größer geworden, so dass sie schließlich zu ihrem Ehemann zurückgekrochen sei, der ihr vergeben und sie wieder aufgenommen habe.

Aber es sei nicht wieder so geworden wie vorher. Er kämpfe um seine Würde, aber sie wolle ihm gar nicht die Frau sein. Sie könne nur nicht alleine leben. Sie fürchte sich vor ihm, obwohl sie doch sonst eine so mutige und starke Frau sei. Nichts sei davon übrig geblieben. Sie könne schon kaum ertragen, ihn durchs Haus laufen zu hören. Sie käme ihren ehelichen Pflichten nach, aber eigentlich ekele sie sich vor diesem Nichtmann, wisse aber jetzt weder ein noch aus. Viele Stunden weine sie, traurig über das eigene Leben.

Ihre Eltern hätten eine schlechte Ehe voller Streit geführt. Die Mutter habe alles unter ihre Macht zwingen wollen. Vom Vater sei sie dazu erzogen worden, stark zu sein und zu beten. Leider sei er früh verstorben, und sie habe, wie von ihm geboten, keine Träne vergossen. Die Mutter sei immer neidisch auf ihre Beziehung zum Vater gewesen, habe ihre Abneigung offen gezeigt und sie häufig geschlagen. Das sei so weit gegangen, dass sie mit sieben Jahren der Mutter mitgeteilt habe, sterben zu wollen, und sich mit zwölf Jahren entschlossen habe, zwei Jahre nicht mehr mit der Mutter zu sprechen. Doch der Koran lehre, dass, selbst wenn die Mutter eine schlechte sei, man nicht schlecht über sie reden dürfe.
Auch später, als sie selbst ihre Kinder geboren habe, sei ihre Mutter abwesend gewesen, obwohl dies unüblich sei. In ihrer Ehe habe sie nicht zur Mutter zurückkehren können, obwohl sich ihr Mann wie ein Pharao benommen habe. So habe sie bei ihm aushalten müssen. Sie sei erzogen worden, sich selbst zu vergessen.

Hala habe allmählich verstanden, wie sehr ihre Mutter selbst unter der grausamen Großmutter gelitten haben musste. Das Gefühl der Isolation, der Unverbundenheit – der Urgrund aller Angst – sei in ihrer Familie durch die Generationen gereicht worden. Und genau diese Unverbundenheit habe auch die Beziehung zu ihrem Ehemann bestimmt.
Aus stärkeren Ich-Anteilen heraus habe sie ihrer Mutter jetzt begegnen können, und als diese starb, über ihren Verlust und die nicht gemachten Erfahrungen einer liebevollen Mutter-Tochter-Beziehung weinen können.

Danach habe sie sich gestattet, den Kontakt zu ihrer ´Medizin` zu intensivieren. Das sei neben den therapeutischen Gesprächen ihre beste Waffe gegen die Angst gewesen. Und die Entfremdung von ihrem Ehemann, von dem sie sich immer mehr ausgebeutet sah, sei weiter gewachsen. So habe sie schließlich erneut die Scheidung eingereicht, gegen die er, in der Befürchtung, sein Wirtstier zu verlieren, über seinen Anwalt erbitterten Widerstand geleistet habe.
Der Richter habe eindeutig die Interessen des Ehemannes und einer Männergesellschaft vertreten, die von der Freiheit der Frauen nichts wissen wolle, und mit ständigen Ablehnungen der Scheidung das Verfahren in die Länge gezogen.

Hala im Islam

Eines Nachts habe Hala einen Traum gehabt.
„Eine ´Lady`, wohl sie selbst, nahm ein Bad. Das Wasser lief über Haare und Körper und reinigte alles. Sie fühlte sich wunderschön. Da trat Hafsa, die vierte Frau des Propheten Mohammed, zu ihr und gab ihr den Segen. Beim Aufwachen fühlte sie sich überglücklich. Sie gab mir zu verstehen, welche Ehre und Anerkennung es sei, vom Propheten oder einer Verwandten des Propheten – er könne ihr ja nicht selbst in diesem Zustand begegnen – im Traume besucht zu werden. Dies sei ein höchstes Privileg, und sie würde es außer mir nie wieder irgendjemandem erzählen, so kostbar sei dies, und überdies würde es Neid erregen.“

Nach diesem Traum sei Frieden in Hala eingezogen. Auch habe ihr Gottesbild ein wenig die gewalttätigen, rachsüchtigen Züge verloren. Sie habe eine geradezu kämpferische feministisch-muslimische Haltung entwickelt und sich oft darüber beschwert, wie der wahre Wille des Propheten von der Männerwelt verfälscht werde.
Die ewigen Regeln des Korans jedoch seien unabänderlich, weil in ihnen alle Weisheit stecke. So lehre es sie auch ihre Imamin. Sie fürchte nicht mehr die Menschen, sondern nur noch Allah.
Ganz vorsichtig versuchte ich ihr begreiflich zu machen, dass ihr Gottesbild Züge der Mutter trug und dass Allah doch sicher barmherziger sei als diese. Eine solche Betrachtung war ihr grundfremd, sie konnte sich kaum von ihrem Bild Allahs distanzieren, ohne schon wieder Schuldgefühle zu haben.“

Die mehrmalige Ablehnung der Scheidung durch den Richter habe sie einerseits empört, aber andererseits hingenommen. Sie müsse den Gesetzen gehorchen. Das sei der Islam. Die Gesetze mache Allah. Und der Prophet sage, man müsse den Gesetzen gehorchen.
Dr. Hofmann fügt an, er habe zum ersten Mal in vollem Umfang verstanden, wie sehr die Abhängigkeit von einer unzulänglichen Mutter auch auf die Religion als Ganzes und damit auf den Staat und seine angeblich nach dieser Religion richtenden Richter übergegangen sei.
Ich versuchte in ihr den Konflikt noch zu verschärfen, auch um einen Rückgriff auf ihr Selbst, ihre innere Stimme zu fördern. Aber da war nur der erklärte Wille, ohne dieses Korsett nicht leben zu wollen.“

Wenn Sie nicht geschieden werde, bräuchte sie eine Scheidung von diesen Gesetzen, versuchte der Therapeut nachzulegen. Aber Allah mache die Gesetze, habe sie wiederholt.
Ihre Abhängigkeitswünsche standen in einem unüberwindlichen Widerspruch zu ihrer eigenen Empfindung und ihrem Wissen. Selten habe ich einen Konflikt mit all seinen Gefühlen – Trauer, Wut und Verzweiflung im Wortsinn – so leibhaftig erlebt. Ich hatte neben aller Frustration auch tiefes Mitleid mit der Unfähigkeit der Patientin, zu sich selbst auf Distanz zu gehen und sich wie von außen zu betrachten. Sie konnte keine ´dritte Position` aufbauen, war dazu schlicht nicht in der Lage.“

Doch schließlich sei ihr selbst bewusst geworden, dass sie die Gesetze bereits schon breche: sie telefoniere täglich mit ihrer `Medizin`, und die Gespräche mit ihm seien durchaus nicht jugendfrei. Dieser Mann fliege alle paar Wochen zu ihr, um einen Nachmittag mit ihr in einem verschwiegenen Restaurant zu verbringen. Sie halte dabei zärtlich seine Hand, und auch das sei nach dem Koran unerlaubt. Doch der Prophet habe ihr wohl den Segen gegeben.

Endlich habe sie die Scheidung erreichen können, aber nur, indem sie auf alle Ansprüche verzichtete. Nach der koranisch vorgeschriebenen Frist von drei Monaten würde sie ihre ´Medizin` heiraten. Dann und erst dann dürfe sie mit ihm zusammen sein.

Fazit

Es folgen noch viele weitere Fälle, die verschiedene Aspekte behandeln, aber immer auf das gleiche Grundmuster von Gruppen- und Religionszwang einerseits und Angst und Schuldgefühlen andererseits zurückzuführen sind.
Dr. Hofmann, der nur selten in vorgeprägte psychoanalytische Interpretationsmuster verfällt, sondern seine Vorzüge vor allem in der unbefangenen Beobachtung hat, bringt das zentrale Problem der arabisch-muslimischen Seele wie folgt auf den Punkt:

„Wir müssen uns das Ich, das innere individuelle Wesen des Menschen, als noch nicht vom großen Ganzen emanzipiert vorstellen. Eine Distanz vom Göttlichen (und damit auch von der gottgewollten übergeordneten Blutsgemeinschaft, hl) ist also eine Unmöglichkeit. (…) Der Triumpf des Ichs, auch mit all seinen negativen Folgen der Egozentrik, hat noch nicht stattgefunden. Meiner Meinung nach wird er auch nur in vereinzelten Fällen primär starker Persönlichkeiten vollzogen werden können.“

Dies liegt als zentrales Problem und Hindernis der Integration in die individualistische Kultur eines westlichen, nach Demokratie strebenden Landes zugrunde.
Und das deckt sich vollständig mit den Erfahrungen und dem Urteil des gebürtigen Ägypters Hamed Abdel Samads nach erfolgter eigener Integration in Deutschland:
„Integration kann aus meiner Sicht nur gelingen, wenn das Individuum sich vom Würgegriff des Kollektivs befreit und seinen eigenen Weg in die freie Gesellschaft beschreitet. Sie kann nur gelingen, wenn der Einzelne alle moralischen und gesellschaftlichen Mauern zwischen sich und der Gastgebersellschaft eliminiert und sich ohne Wenn und Aber mit seiner neuen Heimat und deren Werten identifiziert. Geschieht dies nicht, findet keine Integration statt, selbst wenn uns das manche Studie glauben machen will.“ (Siehe Fassadenkratzer: Die große Täuschung mit der Integration)

Aber die herrschenden Parteien in Deutschland fördern und betreiben bewusst die unaufhörliche Masseneinwanderung von Menschen aus Ländern, die noch stark in Blutszusammenhängen leben  und überwiegend islamischen Glaubens sind.  Es ist absehbar, wohin das führen muss. –
Ist das verblendeter Wahnsinn oder Hochverrat?