Der Unsinn des „Staatsphilosophen“ Habermas

Einer neuen Wahrheit ist nichts schädlicher als ein alter Irrtum                                                                         (Johann Wolfgang von Goethe)

Der philosophierende Soziologe Jürgen Habermas, der als einflussreicher Theoretiker der Demokratieentwicklung in Deutschland gilt und dafür schon als „Staatsphilosoph der Bundesrepublik“ [1] bezeichnet wurde, bringt in seinem Essay „Zur Verfassung Europas“ (Berlin 2011) die staatstragende Definition:

Demokratische Selbstbestimmung bedeutet, dass die Adressaten zwingender Gesetze zugleich deren Autoren sind. In einer Demokratie sind Bürger einzig den Gesetzen unterworfen, die sie sich nach einem demokratischen Verfahren gegeben haben“ (a. a. O. S. 49).

Das klingt bestechend. Aber halten wir inne, und reiben wir uns die Augen, um klar zu sehen, was da gesagt wird. Steigt in uns nicht das Gefühl auf, dass mit dieser Logik etwas nicht stimmt, dass hier eine scheinlogische abstrakte Fassade aufgebaut wird, hinter der sich eine ganz andere Realität verbirgt? Kratzen wir mal an ihrer glänzenden Oberfläche.

Die Bürger als die Adressaten der Gesetze sollen zugleich deren Autoren sein. Begründung: Weil sie sich die Gesetze nach einem demokratischen Verfahren (selbst) gegeben haben. Mit dem demokratischen Verfahren sind offenbar die Wahlen gemeint, mit denen die Bürger einen gewissen eingeschränkten Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlamentes, des Gesetzgebers, nehmen können. Und weil die Abgeordneten die demokratisch gewählten Vertreter der Bürger (Volksvertreter) genannt werden, wird behauptet, die Autoren der Gesetze seien ja im Grunde die Vertretenen, die Bürger. Was für eine fiktive Abstraktion!

Geht man von den Höhen der Abstraktion zu den konkreten Verhältnissen herunter, stellt man fest, dass die Menschen in der Realität auf den Inhalt der Gesetze nicht den geringsten Einfluss haben. Autoren der Gesetze sind in der Regel noch nicht einmal die Abgeordneten, sondern die Ministerialbürokratien, die sie ausbrüten, und deren lobbyistische Zuarbeiter. Die Abgeordneten nicken sie gewöhnlich nur durch, oft ohne sie selbst ganz oder teilweise durchschaut oder überhaupt gelesen zu haben. Unendlich viele Gesetze laufen gerade den allgemeinen Interessen des Volkes, dem Gemeinwohl, zuwider. Wie sollen die Bürger um Himmelswillen da die Autoren der Gesetze sein?

Dass die Menschen nicht nur die Adressaten, sondern zugleich auch die Autoren der Gesetze sein sollen, soll nun ihre demokratische Selbstbestimmung ausmachen. Aber Selbstbestimmung bezieht sich dem Begriffe nach stets auf den einzelnen Menschen. Sie bedeutet die Unabhängigkeit von jeder Art von Fremdbestimmung und die Bestimmung des Handelns nur aus dem eigenen Selbst, aus der eigenen Erkenntnis und Kompetenz.

Dieser Begriff der Selbstbestimmung der menschlichen Individualität wird einfach unbesehen auf die Gesamtheit der Bürger übertragen. Eine Menschengemeinschaft, das Volk, hat jedoch kein Selbst, das sich bestimmen könnte. Wenn eine gewählte Gruppe für alle geltende Gesetze beschließt, wird das Recht des einzelnen Menschen, sein Leben selbst zu bestimmen, dadurch ja gerade ausgeschaltet. Dies wäre selbst dann der Fall, wenn alle in einer Volksabstimmung einstimmig ein das Leben reglementierendes Gesetz beschlössen, also die Adressaten hier sogar wirklich die Autoren des Gesetzes wären. Der einzelne Mensch wird in der Tat  – Habermas´ Sprache ist verräterisch – den zwingenden Gesetzen unterworfen, die ihn fremdbestimmen und seiner Freiheit berauben. Zwang und Unterwerfung  sind nicht Kennzeichen von Freiheit und Selbstbestimmung.

Wenn die Lehrer ihr berufliches Feld und Umfeld aus ihrer fachlichen Kompetenz nicht selbst bestimmen können, sondern ihnen Form und Struktur des Schulsystems, Lehrpläne und methodisch-didaktische Verhaltensweisen direkt oder indirekt staatlich vorgegeben werden, wenn die Bürger in staatlichen Krankenversicherungen zwangsverpflichtet und über die Regelung der Kostenerstattung an bestimmte Therapierichtungen gebunden werden oder dem Wirtschaftsleben ein über staatliche oder halbstaatliche Zentralbanken gelenktes und manipulierbares Geldsystem aufoktroyiert wird, ist das diktatorische Fremdbestimmung, gleichgültig, ob sie von einem einzelnen Diktator oder der herrschenden Kaste einer „demokratischen Diktatur“  ausgeht.

Der Begriff Selbstbestimmung bezieht Glanz und Sympathie von seiner Beziehung auf die einzelne Individualität und ihre Freiheit. Wird der Begriff auf eine Gesamtheit von Menschen, ein Volk, angewendet, wird seine Faszination mitübertragen, auch wenn der Begriff hier überhaupt nicht zutrifft und sein Sinn sich in sein Gegenteil verkehrt. Dies führt dazu, dass die meisten Menschen auf die damit verbundene suggestive Scheinlogik hereinfallen, die ihr Bewusstsein einlullt und das eigene Denken ausschaltet. So merken sie nicht, wie sie am Nasenring „demokratischer Selbstbestimmung“ in den Zirkeltanz ständiger Fremdbestimmung geführt werden.

Diese Definition der „demokratischen Selbstbestimmung“  ist mit der Autorität eines Philosophen ausgestattet, der mit den höchsten Superlativen bedacht wird. Die Schärfe und Präzision seines Denkens mache ihn „zum weltweit bedeutendsten Denker der Gegenwart“[2]. Er sei „in Deutschland zum Gewissen der Demokratie geworden“[3]. Ja man spricht gar von der „Weltmacht Habermas“[4]. Da muss es ja als ein tollkühnes und größenwahnsinniges Unterfangen erscheinen, gegen die „Erkenntnis“ eines solchen Meisters des Denkens anzutreten.  –  Aber gleichviel, wie es aussieht; die Zeit der Autoritäten ist vorbei. Es entscheidet allein die Qualität der Gedanken. Und diese Definition ist, wie nachgewiesen, ein Unsinn, jedoch ein verheerend wirkender Unsinn. Sie unterstützt und festigt die gegenwärtige diktatorische Form der Demokratie und die damit verbundenen Herrschaftsverhältnisse. Mit ihrer bestechenden Scheinlogik rechtfertigt sie gerade die Fremdbestimmung des Menschen, die Unterdrückung seiner Selbstbestimmung. Die Freiheit wird in der Tat auf allen gesellschaftlichen Feldern von „Weltmächten“ bedroht und unterdrückt. [5]

Man hat den Eindruck, dass dieser Soziologe deshalb von der politischen Kaste und ihren Strippenziehern in einer schon fast peinlich zu nennenden Weise hofiert und umschmeichelt wird, weil er mit seinen intellektuell blendenden Argumenten ihrer Herrschaft eine scheinwissenschaftliche Begründung liefert.  (hl)

[1] Staatsphilosoph” der Bundesrepublik – Jürgen Habermas wird 75

[2] Heinrich-Heine-Preis für Habermas – WDR 

[3] Kultur: Das Gewissen der Demokratie: Der Philosoph Jürgen …

7 Kommentare zu „Der Unsinn des „Staatsphilosophen“ Habermas“

  1. Ist doch Unsinn, auch wenn der Salonbolschewist Habermas ebensolchen absondert.

    Das Ideal der Freiheit als Freiheit von Regeln ist in seiner Natur materialistisch, das freie unbeschränkte Selbst, das in seiner Verwirklichung durch den Willen Dritter behindert wird. Diese Perspektive ist in höchstem Maße egozentrisch, weil sie völlig außer Acht läßt, daß, objektiv betrachtet, die Pflichten des Einen die Rechte des Anderen sind, die Beschränkungen der Rechte des Einen die Freiheiten des Anderen erst ermöglichen.

    Zudem läuft eine derartige Definition eher auf die angelsächsische hin: Freiheit sei die Freiheit von Regeln, was sich naturgemäß in deren Gebahren in der Welt widerspiegelt.

    Der Fehler, der hier begangen wird, ist die Außerachtlassung der Wechselseitigkeit individueller Beziehungen: die Beschränkung der Freiheit Dritter ist eine Sicherung der eigenen Freiheit.

    Indem ich also z.B. Mord und Totschlag sanktioniere und verbiete, sichere ich, daß mich niemand unsanktioniert ermordet oder totschlägt – was die Wahrscheinlichkeit dazu doch durchaus verringert.

    Insofern hat Habermas durchaus recht.

    ABER, und das ist wirklich ein großes Aber, er lügt, indem er impliziert, die Möglichkeit, ihrem Gewissen (und nicht dem Willen ihrer Wähler!) verpflichtete Leute zu wählen (hier bewußt nicht: Repräsentatnen), hätte zur Folge, daß dadurch die von diesen Leuten beschlossenen Gesetze Ausdruck des Mehrheitswillens wären.

    Das könnte man in einer repräsentativen Demokratie wohl erreichen – dazu wären aber imperative Mandate notwendig und eine Sanktionsmöglichkeit der Wähler gegenüber dem Repräsentanten.

    Habermas beschreibt völlig zutreffend das Wesen der Demokratie, lügt aber, indem er behauptet, die BRiD oder die EU wären eine solche. Denn beide sind im Grunde ihrer Anlage Beliebtheitswettbewerbe für Gesichter und Parteien entsprechend deren Marketings.

    Eine echte Demokratie benötigt zudem eine echte Widerstandsmöglichkeit, und die hat nur ein bewaffnetes Volk. Ohne eine umfangreiche Volksbewaffnung trägt jedes System, so bekömmlich es auch sein mag für den Einzelnen, die Willkürherrschaft in sich, auch wenn die durch Wettbewerbe wie „Deutschland sucht das beste Gesicht für die Maskierung der Politik“ oder „Europa sucht das beste Gesicht für die Maskierung der Politik“ verdeckt wird.

  2. Das Verhältnis der Freiheit des einen zur Freiheit der anderen wäre ein eigenes Thema. Man kann in einem kurzen Artikel immer nur einzelne Aspekte behandeln. Hier geht es um die Aufdeckung des Unsinns einer „demokratischen (kollektiven) Selbstbestimmung“, die nur verdeckt, dass die individuelle Selbstbestimmung ausgeschlossen wird. Insofern beschreibt Habermas auch nicht „völlig zutreffend das Wesen der Demokratie“. Diese beruht auf der Selbstbestimmung des einzelnen mündigen Menschen. Das schließt logisch alle Gesetze aus, die inhaltlich das Leben der Menschen von außen regeln, da sie ihn fremdbestimmen und zum Objekt des Willens anderer machen.

    „Nur da, wo es um die Sorge des Staates für die Sicherheit und den Rechtsfrieden, also den für die Gemeinschaft notwendigen rechtlichen Rahmen geht, müssen für alle geltende Gesetze durch die demokratische Mitwirkung aller mündigen Bürger beschlossen werden. Insoweit kann man aber nicht von Selbstbestimmung, sondern nur von demokratischer Mitbestimmung sprechen.“ (Herbert Ludwig: EU oder Europa?, Berlin 2012, S. 28)
    Siehe auch: https://fassadenkratzer.wordpress.com/2013/05/17/fassade-demokratie/
    https://fassadenkratzer.wordpress.com/2014/02/28/die-uberwucherung-von-politik-und-kultur-durch-die-okonomie/

  3. Das ist nicht nur „Scheinlogik“, sondern überhaupt völlig inkonsistent. Eine solche Aussage ist mit jeder Logik unvereinbar.
    Man stelle sich 20 Rasenmäher-Roboter vor, die selber drüber abstimmen, welchen Rasen wo und wielange sie mähen. Auch ihre eigene Bedienungsanleitung geben sie sich selbst. Was hätte zB. ein Logiker wie Gödel oder Tarski zu einer solchen „Logik“ gesagt?
    Jeder Philosoph, Logiker oder Mathematiker, der jemals in der Menschheitsgeschichte aufgetreten wäre, und solche Sätze postuliert hätte, wäre mit Schimpf und Schande in die Wüste geschickt worden.
    Ich weiß, dass ich hiermit auch die Grenzen des Neopositivismus per se aufzeige. Aber es geht nicht anders: die Philosophie ist an ihr Ende gekommen…

  4. @sensortimecom
    Natürlich würde es auch in einem System freier Menschen Reibungen geben. Warum aber dabei Chaos vorprogrammiert sein soll, erschließt sich mir nicht. Es ist interessant, dass Sie das Beispiel der Rasenmäher-Roboter anbringen. Erstens können die das inzwischen schon(!) und zweitens – und viel wichtiger – geht es hier um Menschen, nicht um Roboter.
    Wenn wir den Menschen also als homo oeconomicus betrachten, dann wird er genau auf das w.o. reduziert, einen organischen Roboter.
    Menschen aber als kooperative Wesen, die Fühlen und Mitfühlen können, die in der gelebten Gemeinschaft und fern von einer indoktrinierten menschenfeindlichen Ideologie sich entwickeln können, nehmen VERANTWORTUNG wahr und werden ihren EgoTismus nur für das benutzen, wofür er ihnen als biologische Wesen auch innewohnt.

    „Jeder Philosoph, Logiker oder Mathematiker, der jemals in der Menschheitsgeschichte aufgetreten wäre, und solche Sätze postuliert hätte, wäre mit Schimpf und Schande in die Wüste geschickt worden.“
    Genau da beginnt die Anmaßung, sorry. Ich übrigens bin Philosoph, Logiker und Mathematiker. Und wissen Sie was? Der Blogger dieses sehr aufschlussreichen Artikels auch! Verstehen Sie, was ich damit meine?
    In dem Sinne, beste Grüße

    http://peds-ansichten.de

  5. Ein Symbol des Staates ist die Uniform. Sie blendet das Individuum aus, welches -ähnlich wie der geometrische Punkt ohne Raum-Ausdehnung unter der flächig erscheinenden Veranschaulichung des Punktes verborgen ist- unter der Uniform verschwindet.
    Der Staat ist der kleine Hüter der Schwelle, der verschwindet, wenn wir ihn nicht mehr brauchen.

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