Michael Lüders: Netanjahu will ganz Palästina

Der langjährige Nahost-Korrespondent der Wochenzeitung Die Zeit in Kairo, Michael Lüders, ein exzellenter Kenner der dortigen politischen Verhältnisse, sagt und schreibt schon lange ungeschminkt, was er beobachtet und erkennt und steht damit ganz im Gegensatz zu den deutschen Politikern und ihrer medialen Lautsprecher. Doch am 11.10.2024 hat der Deutschlandfunk immerhin einen deutlichen Kommentar von ihm veröffentlicht. Darin weist er darauf hin, Netanjahu wolle Groß-Israel realisieren, den alten Plan, dass das historische Palästina, das ganze Land zwischen Mittelmeer und Jordan, ausschließlich den jüdischen Bewohnern zustehe. Und er suche den „totalen Sieg“ über seine arabischen Feinde.

Palästinenser fliehen nach einem Angriff der israelischen Armee aus Dschabalia in Gaza. © imago / Mahmoud Issa / SOPA Images


„Längst könnte es im Nahen Osten einen Waffenstillstand geben. Doch zog es die israelische Regierung vor, die Vermittlungen der USA, Ägyptens und Katars zur Freilassung der Geiseln im Gazastreifen zu torpedieren, wie US-Präsident Joe Biden im vorigen Monat unmissverständlich klarstellte.“

Es verwundere daher nicht, dass Israels Premier Benjamin Netanjahu den Verhandlungsführer der Hamas, Ismail Haniyyeh, am 31. Juli in Teheran habe ermorden lassen. Auch mit der Hisbollah sei der Waffenstillstand zum Greifen nahe gewesen.

„Im Gespräch mit dem US-Fernsehsender CNN erklärte der libanesische Außenminister Abdallah Bou Habib am 2. Oktober, der Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah habe einer 21-tägigen Waffenruhe zugestimmt – Voraussetzung für Verhandlungen. Doch die israelische Führung zog es vor, ihn am 27. September zu ermorden.“

Massenmord an den Palästinensern

Zu Recht werde auf das Leid israelischer Opfer verwiesen, die am 7. Oktober 2023 getötet oder entführt worden seien. Der seither erfolgende Massenmord an Palästinensern und zunehmend auch an Libanesen gelte hingegen eher als „Kollateralschaden“.

Zum Jahrestag des Großangriffs der Hamas habe Kanzler Olaf Scholz formuliert, allein eine von Israelis und Palästinensern gemeinsam ausgehandelte Verhandlungslösung weise den Weg zum Frieden. –

„Weiß er nicht oder will er nicht wissen, was im Parteiprogramm der Regierungspartei Likud aus dem Jahr 1977 steht? Was das israelische Parlament zum wiederholten Mal im Juli 2024 festgehalten hat? Demzufolge werde es keinen palästinensischen Staat „westlich des Jordanflusses“ geben, denn Erez Israel, das historische Palästina, das Land zwischen Mittelmeer und Jordan, stehe ausschließlich seinen jüdischen Bewohnern zu.“

Drei ethnische Säuberungen

Wie solle also mit den Palästinensern verfahren werden? Giora Eiland, vormaliger Generalmajor und Nationaler Sicherheitsberater Israels, habe im vorigen Monat den Plan vorgestellt, den Norden des Gazastreifens hermetisch abzuriegeln und die Bevölkerung in Richtung Süden zu vertreiben. Wer bleibe, werde erschossen oder verhungere, denn die Hilfslieferungen würden endgültig eingestellt.

„Ob es Zufall sein mag, dass die israelische Armee gegenwärtig einen Großangriff auf die Stadt Dschabalia wie auch auf das gleichnamige Flüchtlingslager im Norden führt und die Bevölkerung ultimativ auffordert, die Region zu verlassen?“

Doch die Pläne der Regierung Netanjahu gingen noch weiter. Sie wolle sich nicht nur das gesamte Palästina untertan machen – auf Grundlage der dann dritten ethnischen Säuberung nach 1948 (im Zuge der Staatsgründung) und 1967 (im Zuge des Sechstagekrieges). Gleichzeitig sollten die letzten militärischen Widersacher neben der Hamas ausgeschaltet werden: die Hisbollah im Libanon und deren Schutzmacht Iran.

Die Eskalation im Libanon, eingeleitet mit den Pager-Explosionen am 18. September, erlaube zudem, vom Töten im Gazastreifen abzulenken, das unvermindert fortdauere, seither aber weniger im Fokus stehe. Offiziell gehe es darum, den Raketenbeschuss der Hisbollah auf Nordisrael zu beenden.

Israel will Krieg gegen Iran

„Vor allem aber träumt die Regierung Netanjahu von einem „totalen Sieg“ über ihre Widersacher und sucht die USA in einen Krieg gegen den Iran hineinzuziehen, am besten noch vor den US-Präsidentschaftswahlen am 5. November.“ 

Die Europäische Union in Brüssel wie auch die Bundesregierung ließen alles geschehen. Hiesige Auguren ließen sich anstecken von „Regime Change“-Fantasien im Iran. Doch Teheran habe mit Russland und China mächtige Verbündete. Zu befürchten sei, dass Netanjahu und die Seinen den Libanon genauso zerstören wie schon den Gazastreifen.

Während das Thema Asyl und Migration Europa innenpolitisch zu zerreißen drohe, dürfte bald schon ein weiterer nahöstlicher Flüchtlingstreck in Richtung Deutschland und Europa aufbrechen.

„Israels Gewalt sät einen Hass, der für mehrere Generationen reicht. Wenn ein Land mit sieben Millionen jüdischen Einwohnern der islamischen Welt mit mehr als zwei Milliarden Menschen indirekt den Krieg erklärt, so kommt die Botschaft dort an, kann das böse enden.“

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Quelle:   

https://www.deutschlandfunkkultur.de/palaestinenser-zukunft-nahostkrieg-gaza-kommentar-100.html

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Eine ausführliche Analyse der Ursachen des Nahost-Konfliktes hat Michael Lüders soeben in seinem neuen Buch veröffentlicht: „Krieg ohne Ende? Warum wir für Frieden im Nahen Osten unsere Haltung zu Israel ändern müssen“.

Siehe dazu:
https://www.youtube.com/watch?v=4E_hj_zlyNo

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Zum Thema siehe auch:

https://fassadenkratzer.de/2023/12/29/die-kriegerische-kraft-die-aus-pervertierter-religion-aufsteigt/

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Autor: hwludwig

herwilud@gmx.de

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