Zum Gedenken an Hans Spielmann, den schwäbischen Barden

Hans Spielmann aus Gomaringen, mit bürgerlichem Namen Hanns Fuchs, war auf Weihnachts- und Kunsthandwerkmärkten, aber auch auf Festen und Feiern in Baden-Württemberg, vor allem im Raum Tübingen und Stuttgart als ein Straßenmusiker der besten Sorte bekannt und beliebt. Insbesondere die Kinder liebten ihn, und er liebte sie. Seine internationalen Lieder und auch eigene Dichtungen und Kompositionen kamen aus einem großen warmen Herzen, das er mit der Sonne verbunden fühlte. Das Singen war ihm Licht von der Sonne, das die Seelen erhellt, heilt und stärkt. Und er sang den Kindern zu: Auch Du bist ein Strahl von Licht und kommst von der Sonne her. Nun ist er am 9. Oktober 2024, nach 75 Jahren, selber ins geistige Licht der Sonne zurückgekehrt.

                                      Quelle: Website „Die Liedersonne“

Es war ihm ein Abschied vergönnt, wie er ihn sich gewünscht hatte. Er lag zuletzt mit einer schweren Lungenentzündung auf der Intensivstation, von der aus er noch in einem Rundbrief schrieb:
„Nichts ist unmöglich. Ich weiß um die heilende Kraft von guten Gedanken und habe auch schon selbst am eigenen Leibe erfahren, wie heilsam und wohltuend Lieder und Gesänge sei können, die einzeln oder als Gruppe für mich gesungen wurden.“

Aber die Ärzte hatten ihm wenig Hoffnung gemacht, und so setzte er hinzu:
„Wenn ich schon gehen muss, so will ich auf jeden Fall auf den Schwingen des Klanges davon getragen werden.“

Und kurz nach diesem Rundbrief berichtete seine Lebensgefährtin Vitalia von seinem Erdenabschied:
Es ist jetzt keine einfache Zeit für mich, aber wenn ich an seine letzte Stunde zurück denke, dann kommt ein Lächeln auf meine Lippen, weil seine letzte Stunde von Licht und Liebe erfüllt war.

Am Mittwoch hat er fast den ganzen Tag tief geschlafen und war nicht mehr ansprechbar. Als ich das Zimmer kurz verlassen habe, kam eine gute Freundin zu Besuch. Sie hat für ihn gesungen und – oh, Wunder – ihr ist gelungen, mit der Zauberkraft der Musik ihn aus dem tiefsten Schlaf auf zu wecken. Als ich zurückkam, strahlte Hanns vor Glück, summte mit und wollte uns alle umarmen. Alles ist Liebe, alles ist verbunden, sagte er. Es war so wunderschön anzusehen, wie er lachte und strahlte und uns mit seiner Liebe überschüttete.

Die Freundin sang weiter, und er wurde, so wie er das sich im letzten Rundbrief gewünscht hat, auf den Schwingen des Klanges davon getragen. In dem Moment hatte ich im Ohr sein Lied über den Meistertänzer. Mir war`s klar, dass es kein Ende ist, und er tanzt jetzt weiter über Sonne, Mond und Sterne.

„Sie dachten jetzt ist Ruhe,
doch ich tanzte durch die Wände!
Denn mein Tanz ist ja das Leben –
und das Leben hat kein Ende!“

Spielmanns Karussell dreht sich weiter und jeder, der sich ihm nähert, wird angesteckt von Fröhlichkeit und Lebenslust. Und so fangen wir an zu singen und zu tanzen, wenn wir seine Musik hören.

Als wir in einem separaten Raum Abschied von Hanns nahmen, erinnerte ich mich, dass er sich in den letzten Wochen vor seinem Tod sehr viel mit Schmetterlingen beschäftigt hat. Er zeigte mir verschiedene Videos und war ganz fasziniert, wie aus einer dicken Raupe sowas leichtes und buntes entstehen kann. Was für eine wunderbare Transformation! Dieses Bild stand ganz klar vor meinen Augen, wie der schwere Körper zurück gelassen wird und die Seele leicht und frei davon fliegt, leider oder zum Glück unsichtbar.

So gerne würde ich ihn nochmal sehen, nochmal umarmen. Auf der anderen Seite freue ich mich für ihn, dass er so glücklich, umgeben von geliebten und ihn liebenden Menschen ins Licht gegangen ist.“ 


Ich selbst hatte Hans Spielmann vor ca. 6 Jahren auf einem Straßenfest in Oberriexingen bei Vaihingen/Enz erlebt und in einer Pause die Gelegenheit, mit ihm zusammenzusitzen und ein schönes Gespräch zu führen. 2023 brach bei ihm schwerer Lungenkrebs aus, der sich jedoch auf wundersame Weise zurückbildete. Wir standen in E-Mail-Kontakt, und als es ihm noch sehr schlecht ging, antwortete er mir mit einer beigefügten Betrachtung „Der Liederbaum“, in der er seine Motive schilderte, woraus ich einiges zitieren möchte:

DER LIEDERBAUM

„Ich habe vor Kurzem eine Geschichte gelesen von einem ´verrückten` Franzosen, der nach dem 2. Weltkrieg , als alles in Schutt und Asche lag, jahrelang nichts anderes getan haben soll als mit einem Umhängesack unzählige Strassen auf und ab zu laufen, sich dabei alle paar Meter zu bücken und dabei links und rechts des Strassenrands irgendetwas Unsichtbares zu vergraben. – Niemand wusste so recht, was das soll.
Nach vielen Jahren – lange nach seinem Tod – sind aus den Baumsamen, die dieser Mann damals vergrub, prächtige Alleen entstanden.

In diesem Bewusstsein betreibe ich meine Arbeit. Die Nachhaltigkeit ist dabei für mich eher ein Nebenprodukt. – Ich singe einfach für mein Leben gern. Singen ist hochgradig ansteckend und trägt seine eigenen Früchte. – Ich beobachte jedenfalls mit Freude, wie die Samen überall zu sprießen beginnen.

Vielen Leuten erscheint das, was ich mache – nämlich als Spielmann mit Gitarre und roter Samtmütze durch die Lande zu ziehen und zu singen als hoffnungslos romantisch, überholt, nostalgisch – ein bisschen verrückt eben.

Sie vergessen dabei, dass die Menschen in allen Völkern auf allen Erdteilen und zu allen Zeiten begeistert gesungen haben – und zwar vom Kleinkind bis zum Greis.

Das Singen war seit jeher so natürlich und selbstverständlich wie Essen und Trinken. Gleichzeitig war es jedoch viel mehr. Es war – und das ist es immer noch – der innere Zusammenhalt eines jeden Stammes oder Volkes. Mehr noch: das Singen ist – über alle Hautfarben und Grenzen hinweg – nichts weniger als die Muttersprache der Seele. (…)

Die allgemein verbreitete Singscham … führt – mit überall deutlich sichtbaren und spürbaren Folgen – zu seelischer Verkümmerung und Verarmung im Umgang miteinander. – Wir haben unsere liebsten Kinder – nämlich das Feingefühl, die Freude und die Verbundenheit, die beim Singen und auch bei Kreistänzen ganz selbstverständlich entstehen – mit dem Bad ausgeschüttet und wundern uns, warum wir uns so unbefriedigt und isoliert fühlen.

Doch die Zeiten ändern sich. Neue Generationen beginnen, sich an diesen verlorenen Schatz zu erinnern. Mütter singen wieder mit ihren Kindern und allerorten sprießen Singkreise aus dem Boden wie Maiglöckchen im Frühling.

Ich bin stolz darauf, dass ich in den 40 Jahren meiner Arbeit zu dieser Entwicklung beitragen konnte und immer noch beitragen kann.

Als Spielmann kann ich ein Lied davon singen, wie nachhaltig sich spontanes und ungezwungenes Singen auswirkt: wie ein ansteckender Virus, ein Gesundheitserreger allererster Güte! – Seine Heilkraft besteht darin, dass viel Staub von der Seele geblasen wird und längst verschüttet geglaubte Quellen urplötzlich quicklebendig aus verborgenen Tiefen empor sprudeln.

Unzählige Rückmeldungen aus allen Bevölkerungsschichten bestätigen mir dies eindrücklich.
Hier nur zwei Beispiele:

1.  Kinder, die auf der Straße früher mit leuchtenden Augen um mich herumstanden, kommen heute als junge Eltern zu mir und freuen sich riesig, dass ich immer noch singend durch die Lande ziehe – und dass ihre eigenen Kinder nun genauso viel Freude haben an den fröhlichen Spielmanns-Liedern wie sie selbst vor 20 oder 30 Jahren.

2.  Viele ehemals psychisch kranke Menschen schreiben mir, dass mein unbekümmertes Singen auf der Strasse und auch meine Mut machenden Texte und Lieder, sie dazu bewegt haben, wieder selbst zu singen – und dass sie dadurch ihre psychische Krankheit überwinden konnten.

Diese Art von Anerkennung und Bestätigung erfreut mein Spielmannsherz – weit mehr als wohlwollende Kritiken oder Auszeichnungen.
Übrigens: wusstet ihr schon…

….dass ein Mensch, der sehr viele alte Volkslieder und Kinderlieder kennt und diese nicht nur singen kann, sondern auch an andere weitergibt, in Ungarn seit jeher ein „Liederbaum“ genannt wird,

….dass Bäume – besonders Linden – schon seit jeher Mittelpunkt des dörflichen Lebens waren? Gesang, Spiel und Tanz fanden unter den ausladenden Zweigen von grünenden Bäumen statt. Die Tanzböden waren teilweise rund um den Stamm in die Bäume hineingebaut. Oft saßen die Musiker sogar auf den Ästen und spielten von dort zum Mitsingen und auch zum Tanzen auf.

…..dass ich selbst mit Vorliebe unter Bäumen musiziere. Zwitschernde Vögel, fröhliche Kinder, gemeinsame Lieder, Spiele und Tänze – das ist für mich das Paradies auf Erden.

Viel Freude beim Verschenken der Früchte meines Liederbaums.“


Hans Spielmann litt sehr unter den Verfallserscheinungen der materialistischen Zivilisation. Er sah, wie man von Lügen, Täuschungen und schnellen Verleumdungen vielfach umstellt ist, denen gegenüber es schwer fällt, die innere Unabhängigkeit und das unerschütterliche Streben nach der Wahrheit und den eigenen Idealen aufrecht zu erhalten. Ihm war tief bewusst, dass alles darauf ankommt, sich selber, seinem eigenen Ich, treu zu bleiben.

Das brachte er in einem wunderbaren eigenen Gedicht zum Ausdruck, zu dem ihn ein Gedicht von Rudyard Kipling inspiriert hatte. Er hat es auf seiner CD „Singe mein Herz!“ unter dem Titel „Wenn klar du bleiben kannst …“ gesungen.
Ich bringe es nachfolgend unter einer etwas anderen Überschrift zum Abdruck, in dankbarer Erinnerung an den besonderen, in aller Bescheidenheit großen Menschen Hans Spielmann:

Du selber sein

Wenn klar du bleiben kannst, ob rings die Menge,
verwirrt im Geiste, dich den Wirrkopf heißt,
wenn du noch lächeln kannst, trotz all der Strenge,
mit der man dir so manche ´Schuld` beweist;
wenn Warten du gelernt hast ohne Maßen
und als Belog`ner selber wahr zu sein,
wenn du mit Gleichmut überwandest Hassen
und trautest deinem graden Sinn allein –

Wenn du ein Träumer sein kannst, doch mit Wissen,
Gedanken spinnst, doch freien Blick bewahrst;
wenn du des Unglücks Last, des Glückes Kissen
mit unbeirrter Seelenruhe paarst;
wenn du den kühnsten Traum, der dich begleitet,
geduldig hüten lerntest – Teil um Teil,
wenn dich die eig`ne Wahrheit sicher leitet,
und scheint der Weg zum Ziel auch noch so steil –

Dann kannst du unter Narren dich bewahren,
mit Königen sprechen, ohne klein zu sein.
Ob sich dann Freunde oder Feinde um dich scharen,
du wirst doch immer nur du selber sein.
Du füllst den Zeitenraum der schnellen Stunde
mit frohen Taten, ehe sie dahin.
Dann sind dir Erd` und Himmel beid` im Bunde,
dann bist du Mensch, dann hat dein Leben Sinn!

Wenn alles, was du nach und nach gewonnen,
auf einen Wurf du ruhig gibst dahin –
und ohne Zögern deines Lebens Brunnen
zu frischem Leben weckst und Neubeginn,
wenn klar du deinem Herzen kannst befehlen –
und schlüg` es gleich wie in verlass`nem Haus,
und zu dir sprechen, tief in deiner Seelen:
,,Halt aus, mein Wille! Wanke nicht! Halt aus!”

Dann kannst du unter Narren dich bewahren,
mit Königen sprechen, ohne klein zu sein.
Ob sich dann Freunde oder Feinde um dich scharen,
du wirst doch immer nur du selber sein.
Du füllst den Zeitenraum der schnellen Stunde
mit frohen Taten, ehe sie dahin.
dann sind dir Erd` und Himmel beid` im Bunde!
Dann bist du Mensch! Dann hat dein Leben Sinn!

———————-   

Seine CDs können weiter bestellt werden auf:

https://www.liedersonne.com/

Avatar von Unbekannt

Autor: hwludwig

herwilud@gmx.de