Die Besessenen: Der Geist des Krieges überwältigt wieder das Bewusstsein

Was liegt der Bewusstseinsveränderung zugrunde, die sich bei den herrschenden Parteivertretern und ihrer medialen Lautsprecher in kurzer Zeit vollzogen und sie von glühenden Pazifisten („Nie wieder Krieg“) in fanatische Kriegstreiber gegen Russland verwandelt hat? Geht das aus ruhigen, rationalen, vernünftigen Überlegungen und Entscheidungen dieser Menschen hervor? Oder werden sie von übermenschlichen Kräften bestimmt, die aus dem Unbewussten in Gefühl und Denken aufsteigen und unbemerkt ganz andere aggressive Gedanken ins Bewusstsein schieben, die man aber für die eigenen hält? Hat der Mensch ein Bewusstsein von seinem Bewusstsein, und ist er immer Herr darüber? Von diesen Fragen hängen Krieg und Frieden ab.

                                            Römischer Kriegsgott Mars

In einem sehr bemerkenswerten Artikel unter dem Titel „Die Rückkehr des Mars“ hat sich kürzlich der Psychotherapeut Malte Nellesaus tiefenpsychologischer Sicht mit der Frage außermenschlicher kriegerischer Kräfte befasst, die in der Antike mit der Gestalt des Kriegsgottes Mars verbunden wurden, und die heute in der analytischen Psychologie als unbewusste archetypische Kräfte bezeichnet werden, die stärker seien als das rationale Ich der jeweils Handelnden. Ihr Name habe sich geändert, ihre Wirkung und das Erleben ihrer Macht seien jedoch dieselben.

Malte Nelles knüpft an die jüngsten dramatischen Veränderungen im Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit an, und stellt die Frage:
„Hat man plötzlich, so dürfte in etwa die offizielle Lesart und Selbstbeschreibung der Akteure lauten, einfach nur erkannt, wie machtbesessen, grausam und verlogen Putin ist und daraus nun den einzig rational gebotenen Schluss einer unbedingten Aufrüstung und Eskalation gezogen? Ist der Satz ´Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen!` nur sprachpolitisches Kalkül, oder sagt er nicht vielleicht auch etwas aus über den Bewusstseinszustand der Betreffenden und der deutschen Öffentlichkeit? Wie werden aus Friedenstauben Marschflugkörper? Wie entwickelt der Krieg im Geiste seine unnachahmliche Dynamik und Vollendungssehnsucht?“

Übermächtige Kräfte

Rationale, politologische aber auch konventionell psychologische Erklärungszugänge reichten nicht aus, um die geistige 180-Grad-Wende zu verstehen, die öffentliche Akteure innerhalb kürzester Zeit vollzogen hätten und auf deren Pfad sich Deutschland begeben habe.
Man ahne und spüre es, dass ein Übermächtiges wieder in der Luft liege, das herandringe, der Krieg, und mit ihm sein Durst nach Blut, menschlichem Leben und Zerstörung von all jenem, das unsere Gesellschaft vordergründig ausmache und in Artikel 1 des Grundgesetzes, dessen Geist sich direkt aus den Erfahrungen des Krieges speist, als „unantastbar“ bezeichnet werde.
„Krieg ist, wo und aus welchem Grund auch immer er ausbricht, per se eine Vergewaltigung der Menschenwürde und ein Aussetzen jenes Humanismus, auf dem die politische Identität der Bundesrepublik vorgeblich ruht.“

Nun, wo die „Koste es, was es wolle“-Rhetorik des „Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen“-Diktats auf dem Schlachtfeld an ihre Grenzen zu kommen scheine, sei es kaum möglich zurückzuweichen. Der Krieg gebäre im Menschen eine eigene Psychologie. Der Einzelne folge nicht nur durch äußeren Druck und Zwang der Logik des Krieges, sondern ebenso durch das innerliche „Müssen“, das der Krieg dem Bewusstsein trotz all des historisch erworbenen humanistischen Selbsttrainings des modernen Menschseins aufzwinge. Mars sei schnell, reaktiv, verallgemeinernd und infektiös.
Mars, der römische Kriegsgott der Antike, sei zurück aus dem seelischen Asyl, in das man ihn über 70 Jahre verbannt hatte. Der Geist des Krieges sei wieder aus der Flasche und beherrsche das öffentliche Bewusstsein, insbesondere das der Medien. –

Der Krieg sei, einmal ausgebrochen, ein Diktator des Bewusstseins. Nicht mehr das wache Ich, die Vernunft und das Einfühlungsvermögen bestimmten das Fühlen, Denken, Wahrnehmen und Handeln, sondern an ihrer Stelle setze sich das Prinzip des Krieges auf den Thron des Bewusstseins. Der Krieg, so scheine es, suche sich die menschlichen Schauspieler für das Stück, das er inszenieren möchte. Er schicke die Akteure auf eine Einbahnstraße der Wut und Angst, ohne dass jene es  bemerken und reflektieren könnten.

Quelle: Schweizer Zeitschrift „Kernpunkte“ Nr. 1, 2018

Götter im Unbewussten

Malte Nelles verweist auf Carl Gustav Jung, der dem modernen aufgeklärten Menschen 1929 bescheinige, unter dem Einfluss unbewusster Seelenkräfte zu stehen, die das Denken, Fühlen und Handeln von Menschen privat, aber auch in ihren öffentlichen Rollen bestimmen. Der moderne Mensch, so C.G. Jung, meine sich schmeicheln zu dürfen, die alten Götterschemen schon längst hinter sich gelassen zu haben.
„Was wir überwunden haben, sind aber nur Wortgespenster, nicht die seelischen Tatsachen, welche für die Entstehung der Götter verantwortlich waren. Wir sind von unseren autonomen seelischen Inhalten noch genauso besessen, wie wenn sie Götter wären. Man nennt sie jetzt Phobien, Zwänge, usw., kurz neurotische Symptome. Die Götter sind Krankheiten geworden, und Zeus regiert nicht mehr den Olymp, sondern den plexus solaris (Sonnengeflecht) und verursacht Kuriosa für die ärztliche Sprechstunde oder stört das Gehirn der Politiker und Journalisten, welche unwissentlich psychische Epidemien auslösen.“

Der amerikanische Psychoanalytiker James Hillman habe Jungs Gedanken fortgeführt und auf das Phänomen des Krieges bezogen. Insbesondere in einem seiner letzten Bücher „Die erschreckende Liebe zum Krieg“ konstatiere er: Der Krieg sei nicht das Resultat abgewogener Entscheidungen von Staatsführern, sondern ergebe sich aus Bewusstseinskräften, die stärker seien als das rationale Ich der jeweils Handelnden. Auf dem Schlachtfeld, aber auch am Tatort Schreibtisch oder nur beim betroffenen Lesen von Nachrichten werde die Psyche von archetypischen (urtümlichen) Kräften durchlebt, die entschieden, wie wahrgenommen, empfunden und schließlich gehandelt werde.

Die Rolle, die in Freuds Modell des Psychischen dem „Es“ – dem unverfügbaren, tierhaften Teil der Psyche – zugeschrieben werde, kämen beim Jung-Schüler Hillman den Archetypen zu. Doch Hillman lehne sich dabei wieder an das antike Weltbild an und bezeichne diese menschheitsalten seelischen Strukturen des Erlebens erneut als „Götter“. Ein „Gott“ sei für ihn eine Kraft, die jenseits des persönlichen Wollens und Entscheidens des „Ich“ liege und das Bewusstsein des Betreffenden bestimme. Wo das „Ich“ ende, beginne die Sphäre der Götter. –
Insofern geht Hillman also offensichtlich über C.G. Jung hinaus.

Malte Nelles nennt den Begriff der Götter zwar eine hilfreiche bildhafte Beschreibung für den psychologischen Furor, der das Bewusstsein der Akteure nicht erst im Krieg beherrsche, sondern ihn schon Jahre vorher wie etwas Unausweichliches erscheinen lasse. Doch seine Neigung, diese übermenschlichen Kräfte auch auf reale göttliche Wesen zurückzuführen, ist deutlich spürbar. So wenn er schreibt:
Der im Selbstverständnis götterlose heutige Mensch meint nicht von Mars bestimmt zu werden, denn die Götter sind für ihn Einbildungen primitiverer Völker und Zeiten. Der moderne Mensch lässt sich leicht von Mars regieren, da er ihn wissenschaftlich als Unfug entlarvt hat. Er ist das ideale Opfer dieser alten Götter, denn der Mensch der heutigen Zeit lebt im vollkommenen Unbewusstsein ihrer Existenz in seiner selbsternannt aufgeklärten Psyche.“

Konsequenzen

Die Annahme, dass die übermächtigen sogenannten archetypischen Kräfte im Unbewussten des Menschen auf Götter zurückgeführt werden müssen, ist auch logisch und konsequent. Denn es gibt keine dynamischen seelischen Kräfte an sich, absolut, die da irgendwie in der Welt „archetypisch“ herumschweben und in die Seele des Menschen eindringen. Das ist eine Fiktion, ein unwissenschaftlicher Glaube der herrschenden Psychoanalyse, dem keine Wahrnehmung zugrunde liegt. Denn sie sind ja gerade unbewusst, und nur ihre Wirkungen werden, wie oben beschrieben, im gewöhnlichen Bewusstsein bemerkbar. Seelische Kräfte können nur von einer Seele ausgehen. Und wenn sie sich in der Seele des Menschen als stärker erweisen als die menschlichen, müssen sie von Seelen übermenschlicher Wesen kommen.

Aber so logisch zwingend diese Schlüsse sind, so bleiben sie doch noch im Unbestimmten. Zur wissenschaftlichen Gewissheit können sie erst werden, wenn die im Unbewussten wirkenden Götter, hier also der in der Antike „Mars“ genannte Kriegsgott, selbst in das Bewusstsein gehoben, d. h. bewusst wahrgenommen würde. Vor diesem nächsten konsequenten Schritt bleibt Malte Nelles noch stehen.

Er müsste dazu realisieren, dass die Anerkennung von Göttern in allen alten Kulturen nicht auf logische Schlüsse, die erst zur Fähigkeit des modernen Menschen gehören, zurückzuführen ist, sondern auf ein instinktiv-hellsichtiges Wahrnehmen, das umso stärker vorhanden war, je weiter man in der Geschichte zurückgeht. Diese Bewusstseinsverfassung bedeutete aber, dass die Menschen in ihrem Handeln von diesem überwältigenden Erleben einer höheren geistigen Welt bestimmt wurden und ihr gegenüber völlig abhängig und unfrei waren.

Das allmähliche Verschwinden des hellsehenden Wahrnehmens übersinnlicher Wesen führte einerseits zum völligen Abschnüren des menschlichen Bewusstseins von den Göttern und ihrer Welten, andererseits zur inneren Unabhängigkeit und Freiheit des Menschen, jetzt nicht mehr von überwältigenden Göttern gelenkt zu werden, sondern aus eigener Erkenntnis selbstbestimmt handeln zu können.2

Die Entwicklung der Menschheit wird natürlich von ihren Schöpfergottheiten gelenkt. Sie wollen die Freiheit des Menschen und halten sich daher selbst immer mehr zurück. Nicht aber die abgefallenen bösen Mächte. Diese versuchen, in sein Bewusstsein hineinzuwirken, es zu überwältigen und die Menschen in ihrem Sinne in die Selbstzerstörung zu lenken. Das ist die große Herausforderung, vor der wir heute stehen.

Erweiterung des Bewusstseins

Sie kann nur dadurch bewältigt werden, dass man das übermächtige Wirken der bösen Mächte in der Seele bemerkt und ihre Existenz realisiert, was aber zugleich auch die Anerkennung der Existenz guter Götter bedeutet; denn das Negative gibt es schon rein logisch nicht ohne das Positive, es setzt dieses notwendig voraus. Aber das genügt noch nicht, denn ganz vor den bösen Mächten schützen kann man sich erst, wenn man sie als Wahrnehmung vor sich hat. Das heißt, das hellsichtige Wahrnehmen der Götter, auch der hilfsbereiten guten, das bei den früheren Menschen instinktiv vorhanden war, muss heute, nachdem ein starkes, in sich gegründetes freies Ich errungen wurde, aus bewusstem, freiem Willen wieder entwickelt werden. Sonst gerät die Menschheit in den Abgrund der Vernichtungs- und Todeskräfte.

Dass diese Bewusstseinserweiterung möglich ist, hat der vielfach noch verkannte Rudolf Steiner erkenntnistheoretisch begründet und methodisch in der Beschreibung eines Schulungsweges zur Erweckung im Menschen veranlagter seelisch-geistiger Wahrnehmungsorgane aufgezeigt.3  Mit der Wahrnehmung höherer Wesen wird die Grundlage zur Wissenschaft gelegt, die immer, unabhängig von ihrem Gegenstand, aus den beiden konstituierenden Elementen: Wahrnehmung des Phänomens und begriffliche Durchdringung, erwächst. Die Religion wird dadurch sukzessive zur Wissenschaft, zur Geisteswissenschaft erhoben. Rudolf Steiner beansprucht daher, den Weg zu einer „anthroposophisch orientierten“ (auf den Menschen bezogenen) Geisteswissenschaft geebnet zu haben, aus der er viele Forschungsergebnisse veröffentlicht hat.

Doch schon vorher kann sich der Mensch, wie gezeigt, die Realität und Wirksamkeit böser Mächte auf seine Seele bewusst machen, indem er sich seinem Bewusstsein beobachtend gegenüberstellt und prüft, welcher Natur die Gedanken, Gefühle und Willensimpulse sind, die er in seiner Seele vorfindet: ob sie von ihm selbst stammen oder ihm halt so „eingefallen“ bzw. in ihm „aufgetaucht“ sind und welche Konsequenzen sie haben, welche Früchte sie tragen werden. Der Mensch ist für seine Bewusstseins-Inhalte verantwortlich, denn sie führen ihn zu Handlungen, die ganz bestimmte Folgen haben.

So sagt Rudolf Steiner in seinem Buch „Die Philosophie der Freiheit“ am Ende des Zweiten Anhangs: „Man muss sich der Idee erlebend gegenüberstellen können; sonst gerät man unter Ihre Knechtschaft.“
Das Erleben einer Idee in ihrer inneren Qualität und Wirksamkeit ist der Prüfstein.

Resümee

Die gegenwärtigen Kriegstreiber in der Politik bemerken im inneren Furor ihrer Emotionen und der eindimensionalen kalten Logik ihrer Gedanken nicht, wie irrational ihre Argumentationen andererseits wieder sind und an welchen Fäden sie eigentlich gezogen werden. Die Lage ist hochgefährlich.

Malte Nelles weist darauf hin mit den Worten:
„Man kommt nicht um die tiefenpsychologische Betrachtung des Geschehens, wenn man die neurotische Schrägheit verstehen will, die die deutsche Öffentlichkeit in den letzten Jahren beherrscht. Während eine militärisch vollkommen unerfahrene Politikerin wie Katharina Barley, die auch Präsidentin des Arbeiter-Samariter-Bundes Deutschlands ist, zur EU-Atombombe anregt, sind es ausgerechnet gestandene Militärs wie der ehemalige militärpolitische Berater von Angela Merkel, Erich Vad, und der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr und Ex-Aufsichtsratsvorsitzende des Waffenkonzerns Heckler & Koch, Harald Kujat, die sich für abgewogene und realistische Perspektiven, Verhandlungen und eine Friedensperspektive im Ukraine-Krieg einsetzen. Während die Scharfmacher die Schlagzeilen beherrschen, müssen Vad und Kujat ihre Beiträge und Interviews etwa in Alice Schwarzers „Emma“ platzieren. Die Militärs bei den Altfeministinnen – welch eine Farce oder, wenn es nicht letztlich um Leben und Tod gehen würde, göttliche Komödie.“

Aus einer rationalen Perspektive falle es schwer, der zwingenden Notwendigkeit zu folgen, mit der die kriegstreibende Fraktion in Deutschland die Öffentlichkeit infiziert habe und von der sie selbst infiziert und innerlich getrieben erscheine. In ihrem Bewusstsein sei klar: „Wir müssen uns für einen Krieg mit Russland rüsten“. Boris Pistolius habe sogar bereits den Kriegsbeginn gegen Russland im Auge: in fünf bis acht Jahren.“4
Doch man kann das sicher auch schon früher schaffen.

Diese Leute, die meinen, die anderen auf ihr Marionetten-Niveau „aufwecken“ zu müssen, werden kaum zur Besinnung kommen. Umso wichtiger ist es, dass immer mehr Menschen in der Bevölkerung für die tieferen Hintergründe aufwachen, vernehmbar Halt! rufen und den Getriebenen ihre Machtbasis entziehen. Es ist fünf vor Zwölf.

Angesichts der auf einen alles vernichtenden 3. Weltkrieg zusteuernden Entwicklung, erinnern wir uns nicht nur an die mahnenden beiden vergangenen Weltkriege, sondern auch an die Opfertat des größten göttlichen Helfers der Menschheit, des Christus. Es war die Kraft der tiefen Erinnerung der an Ostersonntag versammelten Jünger, die dem Auferstandenen die Möglichkeit gab, in ihre Mitte zu treten mit den Worten: „Friede sei mit euch!“

Dieser göttliche Friede kann erlebbar in jedes Menscheninnere einziehen, das sich mit ihm verbindet. Aus ihm folgen ganz andere Handlungen. Gegen den Gott der Liebe und des Friedens haben die zu Krieg und Vernichtung treibenden Kräfte des Bösen keinen Bestand.
Die Zukunft liegt in des Menschen Hand.

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1   https://multipolar-magazin.de/artikel/rueckkehr-des-mars

2   Näher: https://fassadenkratzer.wordpress.com/2023/04/09/der-tod-als-voraussetzung-der-freiheit/

3   Rudolf Steiner: „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten“
Rudolf Steiner: „Theosophie – Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung“

Dramatische Warnung! Pistorius: Krieg mit Russland „in fünf bis acht Jahren“ möglich | Politik | BILD.de

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Autor: hwludwig

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